Kleine Rochade, große Wirkung: Barack Obama könnte eine weitere umstrittene Entscheidung seines Vorgängers umkehren und die Pläne für den Aufbau einer Raketenabwehr in Osteuropa vorerst beiseitelegen. Getan hat es der neue US-Präsident noch nicht, Andeutungen seiner Regierung gibt es. Den Russen hat das genügt, um in einer selten gewordenen Geste der Versöhnung ihrerseits zunächst auf die Stationierung von Raketen in Kaliningrad, direkt an den Grenzen der Nato, zu verzichten.

Wenn er wollte, könnte Obama die russisch-amerikanischen Beziehungen auf eine neue Basis stellen. Denn die Raketenobsession seines Vorgängers George W. Bush hatte die Kooperation mit Moskau in der entscheidenden Frage der nächsten Jahre erschwert: eine Antwort auf das Nuklearprogramm des Iran zu finden. Obama kann auch die Hilfe der Russen beim Krieg in Afghanistan gebrauchen - es geht um Überflugrechte und Nachschubrouten für die Truppen.

Republikaner haben eine Schwäche für Raketenschilde und Sternenkriege, Demokraten für den Respekt von Menschenrechten: Diese Faustformel wird nur bedingt für Obamas Außenpolitik gelten. Sie wäre auch nichts für John McCain, der eine Politik der Eindämmung gegenüber Russland versucht, Georgien und die Ukraine in die Nato geboxt und dazu noch die politischen Morde in Moskau öffentlich gebrandmarkt hätte. Obama wird vorsichtiger sein. Das Raketenabwehrsystem soll für den nächsten Vierjahresplan des Pentagon neu bewertet werden. Der steht erst für Februar 2010 an - genug Zeit für einen Neuanfang mit Moskau. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.1.2009)