Johannes Voggenhuber war nie einer, der nur Freunde hatte. Mit seiner "Solidaritätskandidatur" dürfte er sich noch ein paar Feinde mehr gemacht haben.
Durch die Grünen verläuft in den vergangenen Tagen nicht nur eine Front, es sind gleich mehrere. Es gibt nicht nur diejenigen, die aus persönlichen Gründen für oder gegen Voggenhuber sind. Es gibt auch die Pro-Voggenhuber-Wahltaktiker (Grüne Liste plus Voggenhuber ergibt mehr grüne Stimmen insgesamt), die Contra-Voggenhuber-Pragmatiker (Ohne Vorzugsstimmenwahlkampf wird Voggenhuber ohnehin nicht nach vorne kommen, warum also den Unmut der Parteispitze auf sich ziehen), oder die Pro-Voggenhuber-Demokraten (Wenn seine Kandidatur jetzt verhindert wird, verlieren die Grünen ihr Gesicht). "Alle Seiten haben hervorragende Argumente, das macht es nicht leichter", meint ein Mitglied des Erweiterten Bundesvorstands im Gespräch mit derStandard.at.
Tatsächlich bietet die Causa, auch wenn nach den ersten verschnupften Meldungen der Parteispitze die offizielle Parole "friedliche Diskussion" lautet, einiges an Explosionspotenzial. Es geht um eine neue Parteiführung, die sich ihre Personalentscheidungen nicht kaputt machen lassen will und um einen sturen, aber profilierten Europapolitiker. 30.000 Vorzugsstimmen konnte Voggenhuber bei der letzten EU-Wahl sammeln. Und trotzdem: Darf der denn das? Einfach eine parteiinterne Entscheidung auf zugegebenerweise charmantem Weg umgehen, indem er dem Wähler die Letztentscheidung lässt?
Nein, findet die Parteiführung. Dahinter steht die Angst, dass Voggenhuber einen Vorzugsstimmenwahlkampf gewinnen könnte und somit die vom Bundeskongress gewählten Spitzenkandidatinnen torpediert. Andererseits: So ist sie nun mal, die Demokratie. Wer, wenn nicht die Grünen, müsste das besser wissen. Es wäre wohl schwer zu erklären, weshalb den WählerInnen ein demokratischer Akt mittels Partiegremien-Diktatur verwehrt wird. Voggenhubers Schwenk hin zur "Solidaritätskandidatur" war zwar nicht die feine englische Art - umso mehr wäre eine gewisse Nonchalence in der Reaktion angebracht.
Der Nationalratsabgeordnete Kurt Grünewald hat im Gespräch mit derStandard.at gesagt, Voggenhubers Kandidatur müsse man gelassen nehmen, sonst entstünde das Bild einer ängstlichen Partei, die verhindern will, dass sich ein bekannter Politiker der Basiswahl stellt. Und ängstliches Agieren könnte den Eindruck erwecken, die beiden vom Bundeskongress gewählten Spitzenkandidatinnen seien schwächer als Voggenhuber: "Das wäre fatal".
Die Grünen haben sich in ein Dilemma gestürzt, das kein Dilemma sein müsste. Doch das Dilemma hat nicht erst begonnen, als Voggenhuber seine "Solidaritätskandidatur" angeboten hat. "Die Grünen haben zum ungünstigsten Zeitpunkt eine Korrektur ihres EU-Kurses vorgenommen. Durch die Wirtschaftskrise ist die Zustimmung zur EU in der Bevölkerung insgesamt gewachsen. Die Grünen wurden als Pro-EU-Partei wahrgenommen, so hätten sie sich im Wahlkampf gut positionieren können. Jetzt sind sie ein einen Ja-aber-Kurs verfallen", sagt Politikberater Peter Plaikner zu derStandard.at.
Die Korrektur des EU-Kurses - Glawischnig erklärte den Lissabon-Vertrag für tot und relativierte später ihre Aussage - fand nicht lange nach den Nationalratswahlen statt. Auch die SPÖ hatte zuvor in einem denkwürdigen Leserbrief an die Kronen Zeitung ihren EU-Schwenk bekannt gegeben. Im Nachhinein mutet der EU-Schwenk der Grünen wie eine Panikreaktion an. Wähler mögen keine Panikreaktionen. Sie mögen auch keine Bevormundung durch eine - wenn auch vielleicht zu Recht - grantige Parteispitze. Deshalb ist es wenig zielführend, Voggenhuber als den grünen Schreck zu stilisieren. Vielmehr sollten die Grünen ihre Spitzenkandidatinnen "strategisch aufrüsten", wie Plaikner meint. Und Voggenhuber dankbar oder auch gelassen mitnehmen. Stabilität und Zielsicherheit einer Partei zeigen sich nämlich auch in der Art, wie sie mit ihren Voggenhubers umgeht. (Katrin Burgstaller/Anita Zielina/derStandard.at, 29. Jänner 2009)