Brüssel - Krach um den Stabilitätspakt: Unter dem Eindruck eines erwarteten französischen Budgetdefizits in Höhe von heuer 3,4 Prozent des BIP stritten die EU-Finanzminister am Freitag in Brüssel über das weitere Vorgehen. Paris, Berlin und London wollten den Pakt zum Thema auf dem EU-Frühjahrsgipfel machen, die Mehrheit der Staaten lehnte dies ab. Die EU-Kommission kündigte unterdessen die Rückerstattung von sechs Mrd. Euro an Haushaltsmitteln an die Mitgliedsländer an.

Ein umstrittenes britisch-französisch-deutsches Papier für den EU-Frühjahrsgipfel am 21. März sorgte für mehrstündige Diskussionen zwischen den Finanzministern. Die drei Initiatoren wollten, dass die Staats- und Regierungschefs sich mit dem Stabilitätspakt beschäftigen. Andere Staaten - darunter Belgien und Spanien - sahen für diesen Fall die Gefahr, der Pakt könnte aufgeweicht werden. Finanzminister Karl-Heinz Grasser teilte diese Sorge allerdings nicht.

Grasser betonte vielmehr: "Ich war positiv überrascht, dass es nicht den leisesten Versuch gab, den Pakt politisch oder rechtlich aufzuweichen", sagte er am Rande des Ratstreffens. Selbst der französische Finanzminister Francis Mer habe am Vorabend in der Eurogruppe "angekündigt, das Haushaltsdefizit zu reduzieren". Das habe er, Grasser, "so zum ersten Mal gehört". Frankreich hatte am Vorabend eingeräumt, es rechne für 2003 mit einem Budgetdefizit in Höhe von 3,4 Prozent des BIP. Für 2002 hatte Paris 3,0 Prozent gemeldet.

"Wachstum ist das große Ziel"

Grasser berichtete aus dem Ratstreffen, dass die Finanzminister zwar keine Änderung am Stabilitätspakt wünschten. Zwischen den beiden Zielen Stabilität und Wachstum werde nun aber mehr Wert auf Wachstum gelegt: "Wachstum ist das große Ziel", betonte Grasser und deutete damit einen Paradigmenwechsel an.

Wegen der unerwartet langen Debatte über den Stabilitätspakt konnten sich die Minister mit dem Thema Zinsbesteuerung nicht mehr ausführlich beschäftigen. Die neue Richtlinie soll nun bei einem Sondertreffen am 19. März verabschiedet werden.

EU-Beiträge zurück Die EU-Kommission teilte unterdessen mit, die 15 EU-Länder werden auch heuer niedrigere Haushaltsbeiträge als veranschlagt nach Brüssel überweisen müssen. Das Haushaltsjahr 2002 schloss nach Angaben von EU-Budgetkommissarin Michaele Schreyer mit einem Überschuss von rund sieben Milliarden Euro ab. Die EU-Beiträge der Mitgliedstaaten werden daher um rund sechs Milliarden Euro reduziert.

Österreich kann damit rechnen, weit über 130 Millionen Euro nicht nach Brüssel überweisen zu müssen. Die genaue Summe muss aber noch kalkuliert werden. (jwo, ina, DER STANDARD, Printausgabe 8.3.2003)