Wien - Wiener Migrantinnenberatungsvereine und der Wiener Integrationsfonds übermittelten am Freitag anlässlich des Internationalen Frauentages Frauenministerin Maria Rauch- Kallat (ÖVP) sowie den Frauenvorsitzenden der im Parlament vertretenen Parteien einen offenen Brief. Im Mittelpunkt dieses Briefes stehen zentrale Maßnahmen für eine Verbesserung der derzeit extrem benachteiligten Situation von Zuwanderinnen. Die Migrantinnenvereine und der WIF fordern darin unter anderem:
Frauenpolitik soll alle Frauen ansprechen
Die Migrantinnenvereine und der WIF üben in dem offenen Brief aber auch heftige Kritik an der Zuwanderungs- und Integrationspolitik der Bundesregierung. Laut Regierungsprogramm der neuen österreichischen Bundesregierung soll die neue Frauenpolitik ALLE Frauen ansprechen. Nicht genannt werden jedoch, so Fonds und Migrantinnenvereine, Einwandererinnen, die als Frauen und wegen ihrer Herkunft doppelt benachteiligt sind.
Der WIF und die Migrantinnenvereine verlangen daher einerseits die Beseitigung rechtlicher Diskriminierung sowie andererseits besondere Fördermaßnahmen für eingewanderte Frauen. Dazu gehöre vor allem die Einräumung des sofortigen Zugangs zum Arbeitsmarkt ab der Einreise, wird im offenen Brief festgehalten. Derzeit wird dies nämlich erst nach 5 Jahren Niederlassung gewährt.
"Schlüsselkräfte"
Kritisch angemerkt wird im offenen Brief, dass mit der Fremdenrechtsnovelle 2002 vor allem die Neuzuwanderung auf so genannte Schlüsselkräfte eingeschränkt und damit legale Neuzuwanderung aus dem Ausland von einfacher qualifizierten Arbeitskräften bzw. diverser FacharbeiterInnen völlig unterbunden worden ist. Die Definition von Schlüsselkräften ist unter anderem durch ein Mindesteinkommen von Euro 2016,-- (für 2003) gekennzeichnet. Frauen in der EU verdienen aber laut einer vom Eurostat durchgeführten EU-weiten Erhebung im Durchschnitt ein Viertel, Österreich weit sogar bis zu 45 Prozent weniger als Männer. Frauen sind zusätzlich überproportional in schlecht bezahlten Berufen tätig.
Diese Punkte treffen auf Migrantinnen in besonderer Weise zu, wird im offenen Brief konstatiert. Durch diese hohe Einkommensgrenze werden Frauen daher von dauerhafter Einwanderung zum Zweck der Erwerbstätigkeit überwiegend ausgeschlossen. Was bleibe, sei oft nur die irreguläre Einwanderung, unterstreichen die Vereine und der WIF. Einzige dauerhafte Einwanderungsschiene, die ihnen weiterhin offen stehe, sei der Nachzug zu einem bereits in Österreich als Erwerbstätiger niedergelassenen Ehepartner.
Ausbeutung
Zugewanderte Frauen werden andererseits als Fachkräfte im Gesundheits- und Sozialbereich aber stark nachgefragt, wo die Einkommen regelmäßig weit unter der genannten Grenze liegen. Nach der Novelle 2002 steht diesen daher nur mehr das Arbeiten als Wochenpendlerinnen, Grenzgängerinnen oder kurzfristig Beschäftigte (ehemals Saisonierinnen) in Österreich offen. Das bedeute, dass diese Frauen keine wie auch immer geartete soziale Absicherung genießen. Der Ausbeutung sei hiermit Tür und Tor geöffnet, betonen der WIF und die Organisationen in dem offenen Brief.
Als besonders kritikwürdig erachten die Organisationen weiters die unverändert restriktive Familiennachzugsregelung, die zu Wartefristen bis zu 5 Jahren, großer Entfremdung unter den Familienmitgliedern bzw. EhepartnerInnen und menschlichen Härtefällen führt.
Unter dem Ausbildungsniveau beschäftigt
Weiters stellen die Organisationen und der WIF im offenen Brief fest: "Alle diese Diskriminierungen haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass eingewanderte Frauen in Österreich in einem hohen Ausmaß unter ihrem eigentlichen Ausbildungsniveau beschäftigt sind. Eine adäquate Beschäftigung wird ihnen vielfach unmöglich gemacht, da Ausbildungsabschlüsse in Österreich nicht oder nur nach äußerst aufwendigen Nostrifikationsverfahren anerkannt werden. Charakteristisch für die Erwerbstätigkeit von Migrantinnen ist eine starke Konzentration auf wenige Branchen.
Rund zwei Drittel der Nicht-EWR-Staatsbürgerinnen arbeiten in Österreich in nur vier Bereichen; 23 Prozent aller ausländischen Frauen arbeiten im Bereich "Reinigung", 28 Prozent im Fremdenverkehr, d.h. insgesamt 55% in Dienstleistungsberufen, die gleichzeitig durch schwere körperliche Arbeit, hohe saisonale Arbeitslosigkeit, niedriges soziales Prestige, Einkommen und geringe berufliche Aufstiegschancen gekennzeichnet sind."
Finanzierung der Organisationen
Abschließend machen der WIF und die Migrantinnenvereine auch auf die äußerst prekäre finanzielle Situation der Migrantinnenberatungsorganisationen aufmerksam, deren Förderung in den Jahren seit Antritt der FPÖ-ÖVP-Koalitionsregierung kontinuierlich gekürzt wurde:" Bedarf und Nachfrage an Beratungsleistungen der Migrantinnenorganisationen sind aufgrund der von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen kontinuierlich gestiegen. Es ist daher unzumutbar, dass die Organisationen seit vielen Monaten auf ihre Förderzusagen warten müssen. Eine mittel- und längerfristige Planung der Beratungs- und vielfältigen Projektarbeit wird dadurch erschwert bis unmöglich gemacht. Die angestrebte Projektfinanzierung gerät auch immer wieder in Widerspruch mit von den Ministerien verlangten Kriterien, wie z.B. Arbeitsmarktrelevanz von EDV- und anderen Kursen für Frauen, während der Zugang dieser Frauen zu unselbständiger Beschäftigung fehlt." (red)