Noch vor einem Jahr wären Diskussionen mit dem Titel "Die Werte hinter der Marktkapitalisierung" und derart geballte Selbstkritik von Bankchefs und Unternehmensvorsitzenden auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos unvorstellbar gewesen: "Es ist fast peinlich, aber wir müssen hier über Werte sprechen", sagte Pepsi-Chefin Indra Nooyi. "Und über Profitgier. Das ist auch in den letzten Monaten weiter zu beobachten gewesen." Die persönliche Moral und Ethik von Managern müsse hinterfragt werden, forderte die US-Amerikanerin.

Der Vorstandschef des Finanzdienstleistungskonzerns Zurich, James Schiro, gestand ebenfalls Fehler ein: Es sei klar, dass Kontrollsysteme versagt hätten. "Wir haben Risiken zu tief angesetzt. Wir haben einen noch höheren Preis bezahlt, weil wir Werte schleifen ließen", sagte Schiro. "Wir können uns alle nur entschuldigen. Wir müssen jetzt Vertrauen und Glaubwürdigkeit wiederherstellen. Das ist ein langer Prozess."

"Moralischer Wertekompass"

Stephen Green, der Chef der britischen HSBC Bank, schloss sich der Forderung nach einem "moralischen Wertekompass für Manager" zwar an, meinte aber: "Werte zu messen, das ist schwierig." Immer wieder kamen die Manager auf Anstand zu sprechen.

Der israelische Präsident Shimon Peres empfahl - begleitet von Applaus und Gelächter - die zehn Gebote als Handlungsanleitung für Unternehmer und Banker. Der britische Ex-Premier Tony Blair trat zwar für "die Wiederbelebung des freien Unternehmertums" ein, das aber "nicht von Profitgier sondern von wohlverstandenem Selbstinteresse" geleitet werde.

Vorsichtig kritisch wurden Staatsbeteiligungen gesehen. "Wir brauchen jetzt staatliche Interventionen zur Stabilisierung. Aber wir kommen an den Punkt, an dem es zu viele Regelungen gibt", warnte Zurich-Chef Schiro. Wenn dieser Punkt erreicht sei, darauf wollte sich in Davos niemand festlegen.

Weiter dichten Nebel gibt es auch, was den Ausblick betrifft. "Mir ist nicht klar, ob wir in der Mitte oder am Ende der Krise stehen", meinte etwa der Chef von Bayer, Werner Wenning. (afs, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 30.1.2009)