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Wahlkampf in Basra: Auch dort werben die Kandidaten vor allem für sich und nicht für ihre Parteien. Erstmals können die Wähler und Wählerinnen Einzelpersonen wählen.

Foto: Getty/ Matt Cardy

Der Saal ist bis auf den letzten Platz gefüllt mit Männern in langen Gewändern, schwarz-weißen Tüchern und einer schwarzen Kordel um den Kopf. 750 Augenpaare starren gebannt auf den kleinen Mann, der ans Rednerpult tritt und zu ihnen spricht. "Eure Beteiligung bei den kommenden Wahlen ist der Preis für Frieden in diesem Land", ruft der Redner den Zuhörern zu, "aber einige wollen diese Wahlen bedrohen und manipulieren."

Bombenanschläge und Morde hätten in den letzten Tagen wieder zugenommen. Auch gebe es Hinweise auf Stimmenkauf. Das sei "haram" und von der obersten schiitischen Autorität verboten worden. Nuri al-Maliki erhebt seine Stimme: "Fordert alle Leute auf, wählen zu gehen! Wir brauchen eine hohe Wahlbeteiligung: 70 bis 80 Prozent." Erschöpft und unausgeschlafen beendet der irakische Premierminister die Rede an die Mitglieder seines Stammes, die er zur Stütze seines Wahlkampfes aufgerufen hat.

Auf etwa zwei Millionen Mitglieder schätzt Faal al-Maliki, ein Vetter des Premiers, der diese Runde im Bagdader Hotel Mansour zusammengerufen hat, den Stamm des Regierungschefs, der 25 Abzweigungen hat. Malikis findet man im ganzen Südirak, auch in Bagdad. Allein in Basra gäbe es 900.000. Sie alle sollten dazu beitragen, dass "Nuri am Samstag die meisten Stimmen bekommt".

Totgesagte leben länger. Unaufhörlich wurde der politische Untergang des irakischen Regierungschefs seit seinem Amtsantritt vor knapp drei Jahren heraufbeschworen. Er galt als schwach, unerfahren und ohne Rückhalt in der Bevölkerung. Heute ist Nuri al-Maliki der stärkste Politiker des Irak. Die Menschen jubeln ihm zwar nicht zu, aber sie zollen ihm Respekt. Alle Meinungsumfragen, die Anfang dieser Woche veröffentlicht wurden, sehen Maliki und seine Partei vorne, in fast allen der 14 Provinzen, in denen am Samstag Provinzräte gewählt werden.

Kontrolle der Ressourcen

Es geht um viel: Die Gewinner werden weitgehende Kontrolle über Macht und Reichtum der Provinzen bekommen. Da der gesamte Irak, wie Experten annehmen, mehr oder weniger auf einer Ölblase schwimmt, ist die Machtverteilung in den Provinzen daher von großem Interesse. Das zeigt sich am deutlichsten daran, dass Allianzen und Gruppierungen sich für diese Wahl aufgelöst haben und nun im Wettbewerb miteinander stehen.

Bei der 16 Parteien umfassenden Schiitenallianz, die in den Wahlen 2005 die Mehrheit davongetragen hat und seitdem mit der Kurdenallianz die Regierung bildet, kämpft jetzt jeder für sich. Zwischen dem Hohen Islamischen Rat Iraks (SIIC) und Malikis kleinerer Dawa-Partei ist eine offen ausgetragene Rivalität entbrannt. Während SIIC noch immer mit islamischen Parolen wirbt, geben sich der Premier und seine Anhänger säkular.

Es sei nicht in Ordnung, "die Menschen mit Abbas zu bedrohen" und sie so in ihrem Wahlverhalten zu beeinflussen, ruft Maliki den Mitgliedern seines schiitischen Stammes bei dem Treffen in Bagdad mit einem Seitenhieb auf die Konkurrenz zu. Al-Abbas war der Onkel des Propheten Muhammad, der sich der Lehre seines Neffen zunächst nicht zuwandte. Erst nach der Schlacht von Badr nahm er als Gefangener in Medina den Islam an.

Die Botschaft Malikis ist genau das Gegenteil. Zu viel Blut wurde im Namen des Islam in den letzten Jahren im Irak vergossen. Der Anschlag auf die schiitische Moschee in Samarra im Februar 2006 hat das Land zeitweise in einen Bürgerkrieg versetzt. Sunniten töteten Schiiten und umgekehrt. Faal al-Maliki, der vom Regierungschef als "Versöhnungsbeauftragter" ernannt wurde, plant eine engere Kooperation mit anderen, auch sunnitischen Stämmen. Außer auf den Wahlplakaten der SIIC ist auf denen der anderen Personen und Parteien in Bagdad kein einziges Mal das Wort "Islam" zu lesen. (Birgit Svensson aus Bagdad/DER STANDARD, Printausgabe, 30.1.2009)