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Die Einheit der Kirche liegt Benedikt XVI. am Herzen, doch oft steht nach päpstlichen Worten das Trennende vor dem Gemeinsamen.

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Intrigen, profilierungssüchtige Kardinäle oder grobe Kommunikations-probleme in Gottes irdischer Zentrale. Die Bandbreite der möglichen Ursachen für den jüngsten Eklat nach einer Erklärung von Benedikt XVI. ist groß.



Rom/Linz - Irgendwann platzt selbst einem hohen kirchlichen Würdenträger einmal der Kragen. Dies mussten auch jene Bischöfe und Vatikanprälaten erkennen, die am vergangenen Sonntagabend in einem Bus mit Kardinal Giovanni Battista Re - Präfekt der Bischofskongregation - zu einer Vigilfeier in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern in Rom unterwegs waren. Re soll sich auf der Fahrt "sehr erregt" über den Präsidenten der Kommission "Ecclesia Dei", Kardinal Dario Castrillòn Hoyos, geäußert haben. Der Leiter des für die Traditionalisten zuständigen Büros habe die Angelegenheit viel zu schnell betrieben - und vor allem den Papst nicht gründlich genug über die Person Williamsons und ihre Ansichten informiert.

Der Haussegen im Vatikan hängt also nach der Wiederaufnahme von vier Bischöfen der ultrakonservativen Pius-Bruderschaft - darunter der Holocaust-Leugner Richard Williamson - schief. Und dabei war Kardinal Re es persönlich, der das Dekret zur Aufhebung der Exkommunikation am 21. Januar unterzeichnete. Noch am selben Tag strahlte dann der schwedischer Fernsehsender SVT das jetzt heftig umstrittene Interview mit Bischof Williamson aus.

Zwei Tage später veröffentlichte Papst Benedikt XVI. dennoch das Dekret. Über die Hintergründe des päpstlichen Lapsus, der einen Bruch der ohnehin sensiblen Beziehung zum Judentum zur Folge hatte, wird jetzt heftig spekuliert. Einerseits gibt es genügend Stimmen, die überzeugt sind, so etwas könne einem Papst nicht einfach passieren. Andererseits verdichten sich auch die Gerüchte, innerhalb der Römischen Kurie seien bewusst Informationen, etwa über Richard Williamson, zurückgehalten worden, um eine bevorstehende Aufhebung der Exkommunikation nicht zu gefährden.

Eigenregie des Bischofs oder ...

Oder Bischof Williamson selbst zog im Hintergrund die Fäden. Bekannt ist, dass dieser seit seiner Exkommunikation am ersten Juli 1988 keinen großen Wert mehr auf eine Wiederaufnahme legte. Als diese jetzt dennoch vollzogen wurde, soll Williamson das besagte Interview lanciert haben.

Dafür sprechen würde, dass das Gespräch mit der Holocaust-Leugnung bereits im November 2008 bei einer Diakonatsweihe im Priesterseminar "Herz Jesu" nahe Regensburg aufgezeichnet wurde und just am Tag der Dekret-Unterzeichnung den Weg in die Medienlandschaft fand. Vatikan-Experten vor Ort glauben, dass der Papst schlecht informiert war, sie sehen die Ursachen für den Eklat in den vatikanischen Strukturen. "Es ist zu 100 Prozent passiert. Das hat niemand gewollt. Es ist eine höchst unglückselige und fatale Mischung verschiedener Sachen: Eine mangelhafte Abstimmung und gravierende Kommunikationsprobleme innerhalb der Kurie. Und dazu kommt ein gewisses Profilierungsdenken einzelner Kurienmitglieder", ist die Radio Vatikan-Journalistin Gudrun Sailer im Gespräch mit dem Standard überzeugt. Nachsatz: "Der Papst ist ein brillanter Theologe, aber kein Verwalter."

... Profilierung des Kardinals

Für Sailer klingt ein Einzelgang des für die Traditionalisten zuständigen Kardinals Dario Castrillòn Hoyos durchaus plausibel: "Seit Jahren ist die Existenz von Castrillòn Hoyos an der Kurie ganz der Aussöhnung mit den Traditionalisten gewidmet. Das ist sein Job, sein Werk. Und er hat gesehen, dass die Gelegenheit jetzt günstig ist, denn über kurz oder lang wäre es ohnehin zu einer Annäherung mit den Lefebvrianer gekommen", sagt Sailer. Übersehen werde durch die Diskussion "der eigentliche Akt der Großzügigkeit" des Papstes. Sailer: "Die Einheit der Kirche ist Papst Benedikt XVI. ein großes Anliegen. Dass er da bei den Lefebvrianern ansetzt, ist aus heutiger Sicht nachvollziehbar, weil er damals als Präfekt der Glaubenskongregation bei der Exkommunikation federführend war."

Man dürfe aber jetzt nicht vergessen, dass die Aufhebung der Exkommunikation nicht gleichbedeutend mit der Aufhebung der Suspendierung sei. "Sie sind nicht voll rehabilitiert. Das ist kirchenrechtlich eine ungelöste Lage. Auf jeden Fall müssen die Lefebvrianer offiziell den Papst als Autorität und das Zweite Vatikanum anerkennen", betont Sailer. Für den Schweizer Theologen Hans Küng bleibt die Rehabilitierung dennoch "ein Fehler". Der Papst versuche, die konservative Linie durchzusetzen. "Es ist unverständlich, dass er sich um die mehr kümmert als um eine Milliarde Katholiken". (Markus Rohrhofer/DER STANDARD, Printausgabe, 31.1./1.2.2009)