Wien - Ein Spitzenbeamter der Republik soll im Zentrum eines 60-Millionen-Euro-Coups mit Geldern des Arbeitsmarktservice (AMS) stehen. Der leitende Mitarbeiter der Bundesbuchhaltungsagentur wird laut einem "profil"-Bericht verdächtigt, rund 17 Millionen Euro von Konten der Republik auf Knopfdruck an private Empfänger verschoben zu haben - ohne entsprechende Belege anführen zu können.

Daneben soll der Beamte dem privaten Schulungsinstitut "Venetia" widerrechtlich Schuldscheine der Republik in Höhe von weiteren rund 43 Millionen Euro ausgestellt haben, indem er Forderungen des Instituts gegenüber dem Arbeitsmarktservice bestätigte, die nicht existierten.

Anzeige erstattet

AMS-Chef Herbert Buchinger erstattete inzwischen Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien. Dies bestätigte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Gerhard Jarosch, gegenüber "profil". Der Eigentümer des Schulungsinstituts, das früher im Auftrag des Arbeitsmarktservice Kurse für Arbeitslose anbot, hat nach Aussagen seines Anwalts mittlerweile Selbstanzeige erstattet. Das Unternehmen befindet sich in Konkurs.

Die Überweisungen per Telebanking waren unter anderem deshalb möglich, weil eine vom Rechnungshof bereits im Vorjahr beanstandete Sicherheitslücke vom Finanzministerium - als übergeordneter Behörde der Buchhaltungsagentur - nie geschlossen wurde.

Zwei Festnahme am Samstag

Am Samstag sind in dieser Causa zwei Personen festgenommen worden. Das erklärte Staatsanwaltschaftssprecher Gerhard Jarosch auf Anfrage am Sonntag. Es handelt sich dabei um jenen Spitzenbeamten, der u. a. mehr als 16 Millionen Euro von Konten der Republik auf private verschoben haben soll sowie um den Chef des privaten Schulungsinstituts "Venetia".

"Wir wissen, dass etwas mehr als 16 Millionen Euro tatsächlich weg sind und dass versucht worden ist, mit weiteren Bestätigungen weitere 60 Millionen Euro zu verschieben", so Jarosch. Mehr konnte der Sprecher aufgrund des laufenden Verfahrens nicht sagen. Die beiden Verdächtigen sollen grundsätzlich geständig sein - zu welchen Fakten genau, war vorerst noch nicht bekannt. Ob eventuell die neue Sonderstaatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung den Fall übernimmt, soll sich in den kommenden Tagen entscheiden.

Offenbar Pin-Code gestohlen

Das Finanzministerium hat Samstagvormittag einige zusätzliche Details zum Kriminalfall in der (ausgegliederten) Bundesbuchhaltungsagentur bekanntgegeben. So dürften dem Täter seine Transaktionen nur dadurch gelungen sein, dass er einem Kollegen dessen Pin-Code gestohlen hat. Denn ansonsten wären solche Anweisungen gar nicht möglich gewesen.

Harald Waiglein, Sprecher von Finanzminister Josef Pröll (ÖVP), betonte gegenüber der APA, dass es zwar sehr wohl einen Hinweis des Rechnungshofes gegeben habe, dass eine Sicherheitslücke im System bestehe. Diese habe man aber nicht beheben können, da in den Ministerien manchmal Überweisungen innerhalb eines Tages nötig seien und man keine Liquiditäts-Engpässe in Kauf nehmen könne.

Zur Sicherheit gebe es die Regel, dass bei solchen Transaktionen via Telebanking zwei Personen ihren Sanktus geben müssen. Im Fall des mutmaßlichen Betrügers dürfte dieser einem zweiten Kollegen den Pin-Code entwendet haben, um seine Machenschaften durchführen zu können.

Dass es sich tatsächlich um einen 60 Millionen-Coup handelt, konnte Waiglein nicht bestätigen. Das Ministerium wisse nur von 16 Millionen. Da der Fall aber bei der Staatsanwaltschaft liege, könne es durchaus sein, dass sich mittlerweile eine größere Summe herausgestellt habe.

Klar gestellt wurde von Waiglein, dass seitens der Bundesbuchaltungsagentur sofort Ermittlungen eingeleitet wurden, als die ersten Verdachtsmomente hochkamen. Ferner wies er darauf hin, dass es sich um keinen Skandal des Ministeriums handle, da die Agentur eine ausgegliederte Gesellschaft sei. (APA)