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Diese Dame hat Glück gehabt. Unter ihrem hauchzarten Fächerkleid darf sie einen Body tragen. Anderen Models bei Jean Paul Gaultier war das nicht vergönnt.

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Armani Privé: Kleid oder chinesischer Hochzeitsschrank?

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Chanel: Papier am Haupt, Perlen am Körper.

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Dior: enge Taille über weiten Kringelröcken.

Im Gegenteil: Bei den Modeschauen in Paris trumpfte die hohe Schneiderkunst groß auf: Häuser wie Chanel und Jean Paul Gaultier zeigten die besten Kollektionen seit Jahren

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Die Haute Couture hat mit der Mode im Allgemeinen so viel zu tun wie die Formel 1 mit dem Autogeschäft. Die aufwändig bestickten, mit Spitzen besetzten und immer handgefertigten Unikate werden bestaunt und bewundert, wirklich getragen werden sie aber nicht. Gerade einmal auf einige Hundert schätzt man die Klientel der Couture weltweit.

Die Treuesten von ihnen sitzen zweimal jährlich bei der Präsentation der Kollektionen in Paris - in dicken Pelzen und funkelnden Juwelen. Diese haben sie auch in dieser Saison nicht abgelegt. Warum auch? Die Couture ist weit weniger vom Konjunktureinbruch betroffen als andere Bereiche der Modebranche.

Sie freut sich laut Branchenblatt Women's Wear Daily über Umsatzzuwächse von immerhin einigen Prozent. Nach Jahren, in denen das Couturegeschäft vor allem ein Verlustgeschäft war, kann man damit gut leben. Gespart wird denn eher auf symbolische Art und Weise. Sprich: Die wirklich großen Locations sind gestrichen. Statt wie im Juli im Grand Palais zeigte etwa Chanel unweit des Mutterhauses in der Rue Cambon. Damit hat sich der Sparkurs aber auch schon.

Denn die Kollektion, die Karl Lagerfeld die marmorne Treppe runterschickte, gehört zum geschmackvollsten, was die Couture der vergangenen Jahre zu bieten hatte. Als wolle hier jemand beweisen, wozu die hohe Schneiderkunst in der Lage sei.

Weiß in Weiß bei Chanel

Lagerfeld hat den Großteil seiner Kollektion Weiß in Weiß gehalten. Die klassischen Chanel-Kostüme sind etwas eckiger ausgefallen, die Schulterpartien sind betont, die Röcke haben vorne einen Schlitz, die Kleider eine A-Linie. Ein weißes Blatt Papier, sagt er nach der Schau, sei am Anfang der Kollektion gestanden. In den Haaren der Models findet sich das Papier wieder - als graziöses Blumen- und Rankengebilde. Entworfen hat sie der japanische Papierkünstler Kamo, eine Entdeckung Lagerfelds.

Blumenmotive überziehen in Form von Stickereien oder Perlenapplikationen auch die Kleider. Ihre Strenge wird damit aufgebrochen, trotz beinahe formalistischer Silhouetten macht die Kollektion einen federleichten und äußerst luxuriösen Eindruck.

Letzteres entscheidet nicht unwesentlich über den Erfolg oder Misserfolg einer Couture-Kollektion. Viele der Kleider werden ausschließlich auf dem roten Teppich getragen, Modemacher wie Elie Saab scheinen ihre Roben nur dafür zu entwerfen. Der luxuriöse Charakter der Kleider ist aber auch in anderer Hinsicht wichtig: Die Bilder, die Minuten nach der Präsentation um den Globus geschickt werden, feilen am Image des Couturehauses. Oder anders ausgedrückt: Sie sind Eintrittskarten in die Welt des absoluten Luxus.

Wer nicht das Geld für eine Couture-Robe hat - und wer hat das bei Preisen von 10.000 Euro aufwärts schon? -, der möchte zumindest das Parfüm des Hauses. Umwegrentabilität nennt man das und rechtfertigt damit die immensen Summen, die Couture-Schauen kosten. Auf die Spitze getrieben hat dieses Prinzip John Galliano bei Dior.

Diors New Look

Ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Weltwirtschaft darniederliegt, entwirft er eine Neuinterpretation von Diors New Look. In den Nachkriegsjahren definierte Diors Sanduhren-Silhouette das Bild der Frau auf konservative Art und Weise neu. Meterlange Stoffbahnen und die enge Taille schnürten sie ein. Die Krinolinenungetüme auf den Gemälden eines Van Dyck und die Farben Vermeers zitierend, macht Galliano sechzig Jahre später etwas Ähnliches.

Zeitgenossenschaft ist nicht unbedingt eine Kategorie, nach der sich die Couture zu richten hat - welches Frauenbild sie entwirft, diese Frage sollte man allerdings stellen. Auch im Falle Giorgio Armanis, der in Paris seine Armani-Privé-Linie zeigt, fällt die Antwort durchwachsen aus.

Er hängt in seiner Couture-Kollektion einem romantischen Bild von Fernost an. Kleider ähneln chinesischen Hochzeitsschränken, die Schultern haben eine Pagodenform, die Röcke sind schlaucheng. Darin können die Models höchstens trippeln. Die Mode leidet unter dem ihr übergestülpten Konzept.

Bei Christian Lacroix verhält es sich genau umgekehrt. Er entwirft ein von Farben durchtränktes Illyrien, in dem die plissierten Stoffbahnen nur so fließen.
80er bei Gaultier

Traum und Realität bringt dagegen Jean Paul Gaultier ganz wunderbar unter einen Hut. Er zitiert sich selbst, die Jumpsuits aus den Achtzigern, die breiten Schultern, den Nadelstreif, die Korsetts. Darüber legt er eine zarte Schicht schwarzer Spitzenkreationen. Am Höhepunkt der Schau läuft die 80er-Jahre-Ikone Inès de la Fressange in einem Schlauchkleid über den Laufsteg. Ein denkwürdiger Moment: Während bei manchen Designern der Rückgriff in die Geschichte altbacken aussieht, erstrahlt sie bei anderen in alter Frische. (Stephan Hilpold aus Paris/Der Standard/Printausgabe/31.1./1.2.2009)