Siegfried A. Fruhauf, Selbstportrait des Künstlers mit Kamera und Bildschirm.

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Einer der beiden Arbeitsräum des Linzer Experimentalfilmers und bildenden Künstlers: Schreibtisch, Computer, Videostills.

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Ausstellungsansicht des visuellen Forschungslabors im Rahmen von "Am Sprung - Junge Kunst / Szene Österreich" im Linzer OK Centrum.

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Ground Control (2008): Nicht nur formale Reflexionen über die lichtelektrische Cäsiumoxyd-Schicht auf der Innenseite einer Braunschen Röhre.

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Thinking about Movie-Making (1998-2008): Konzeptuelle Analyse des Denkprozesses eines Filmemachers mittels Rekonstruktion einer Computertomographie.

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Night Sweat (2008): "Es birgt einen großen Reiz, sich damit zu beschäftigen, wie ein Medium, dessen innerstes Wesen das Licht ist, versucht die Nacht auf die Leinwand zu bringen."

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Vor ein paar Jahren hat eine Filmemacherin aus Frankreich Siegfried A. Fruhauf um einen Besuch in seinem Arbeitsraum in Heiligenberg (OÖ) gebeten. Als Antwort auf diese Anfrage hat er einen Super-8-Film davon gedreht, der Französin das unentwickelte Material geschickt und sich selbst beim Filmen seines "privaten Rückzugsraums" aufgenommen.

"Ob mit diesem Material jemals etwas passiert ist, weiß ich nicht", sagt der Künstler bei einem Gespräch in seinem zweiten Wohn- und Arbeitsraum in Linz, der eher unspektakulär ist: Schreibtisch, Computer, Bildschirm und ein paar Film- und Videostills an der Wand. Im Prinzip ist es egal, wo man sich mit Fruhauf trifft, denn mittlerweile arbeitet er meistens am Computer und das kann er überall machen.

Zwischen den Welten

Der Filmemacher und bildender Künstler, der sich selbst in der Tradition des österreichischen Experimentalfilms sieht, ist sich darüber bewusst, dass er mit seiner Tätigkeit immer zwischen den Welten bummeln wird. Neben der Beteiligung an zahlreichen österreichischen und internationalen Filmfestivals wie etwa kürzlich dem International Film Festival Rotterdam, oder dem Stuttgarter Filmwinter, wo sein Film Night Sweat (2008) gezeigt wurde, sind seine Arbeiten auch abseits von der Kinoleinwand in den Räumen zeitgenössischer bildender Kunst zu sehen.

Bei der vor kurzem zu Ende gegangenen Ausstellung "Am Sprung" im Linzer OK Centrum hat er etwa den Raum in eine Art Laborsituation verwandelt: Stelltische, Arbeitsblätter, Kaderpläne und Spotlights auf ausgewählte Filmstills, die systematisch angeordnet unter Glas präsentiert wurden. Dieses Präsentationsformat spiegelt auch seine Arbeitsweise wider, denn Fruhauf geht mit seinen Beobachtungen ins Detail des Mediums Film.

Bewegtbildmaschinen

Die Videominiatur Ground Control (2008), die auch bei der Viennale 2008 gezeigt wurde, setzt beispielsweise beim Ursprünglichsten an, das die elektronische Bewegtbildmaschine zu bieten hat, dem Bildrauschen. Etwas technischer und in den Worten des Künstlers ausgedrückt, geht es um den "Elektronenstrahl, der über die lichtelektrische Cäsiumoxyd-Schicht auf der Innenseite einer Braunschen Röhre gelenkt wird." Am Bildschirm sind Ameisen zu sehen, deren Bewegung auf den reproduzierten Bildern videotechnisch manipuliert wurde und die auf die so genannten "Bug Movies" der 1950 Jahre anspielen.

Im Linzer OK waren zusätzlich zum Videoloop auch ein Ausdruck der 25 Einzelbilder einer Filmsekunde, darauf geklebte Ameisenkörper – sozusagen gefangen im Kader – und nicht zuletzt ein schwarz/weißes Puzzle des Bildrauschens zu sehen. "Wenn man trashiges Material verwendet," so der bedachte Künster, "sieht man die Materialität des Mediums." Mit einer Trash-Ästhetik zu spielen, gelingt, wie im Fall von Fruhauf, aber nur technisch und materialkundig wirklich versierten Künstlern.

derStandard.at: Warum lebst du in Linz?

Siegfried A. Fruhauf: Ich habe in Linz studiert und ... wie soll ich sagen ... man ist hier vielleicht etwas freier als in Wien oder anderswo. Man hat den Freiraum, auch naiv sein zu können und ich bin gerne etwas naiv. (lacht)

derStandard.at: Du bearbeitest zwar das Medium Film solange bis es nur noch als Essenz vorhanden ist, im Anschluss ziehst du aber häufig wieder eine narrative Ebene ein. Gibt es nicht einfachere Wege, um Geschichten zu erzählen?

Fruhauf: Dialogisches und Erzählerisches, wie man es im Kino finden kann, sind mir zu aufgesetzt. Ich habe nicht das Bedürfnis, die Welt oder das Leben zu erklären, sondern bin auf der Suche, nach dem, was dahinter steckt. Das Leben – so heißt es – erfährt man durch Leiden und Staunen: Man kann zwar viel Leiden, aber Staunen ist die weitaus angenehmere Variante, um zu leben. (lacht wieder)

derStandard.at: Was erhoffst du dir im Mikrokosmos des Materials zu entdecken?

Fruhauf: Ich hoffe, dass wieder ein ganzes Universum aufgeht. Auch wenn sehr viel Information in diesen großen Kino-Erzählungen steckt, ist alles vordefiniert und erklärt. Mein Vergnügen liegt aber genau in jenen Welten, die sich hinter diesen Erklärungen auftun. Mein Arbeitsmaterial besteht in erster Linie aus Licht und Zeit, beides Phänomene, die sehr flüchtige Qualitäten aufweisen. Licht ist beispielsweise auch in der Wissenschaft ein ungeklärtes Phänomen. Man entdeckt immer wieder, wie relativ diese Welt ist.

Die Ordnung der Dinge in Frage zu stellen, ist auch eine der grundlegenden Arbeitsweisen des struktuellen Films. Außerdem ist das bewegte Bilder so derart schwierig zu fassen, dass ich das Haptische, also das Material brauche, um es buchstäblich 'be-greifen' zu können.

derStandard.at: Sind deine filmischen Arbeiten eine Art Zwischenschritt oder ist die Installation im Ausstellungsraum die Weiterentwicklung bzw. die Übersetzung des Mediums Film?

Fruhauf: Als Übersetzung würde ich es nicht bezeichnen. Am Screen hast du dieses einmalige Ereignis, das durchkomponiert und ausformuliert ist. Im Kino werden die Dinge auf den Punkt gebracht. Meine Installationen im Ausstellungsraum haben etwas Lecture-artiges, sie sind ein visueller Forschungsraum, oder – wenn man so will – können sie auch als assoziatives Archiv meines eigenen Arbeitsprozesses beschrieben werden.

Ich arbeite viel aus dem Bauch. Meiner Meinung nach muss Kunst affektiv ergreifen, damit sie den Betrachter auch erwischt. Wenn jemand einen Einstieg über die visuelle Ebene schafft, dann ist auch das Konzept dahinter leichter zu verstehen. Im Kino ist das Präsentationsformat vorgegeben, das ist eine gewisse Erleichterung, die Inszenierung des Bildes und der bewegten Bilder im Ausstellungsraum, ist aber eine eigene Philosophie.

derStandard.at: Gibt es Vorbilder?

Fruhauf: Vorbilder gibt es nicht wirklich, Inspirationsquellen dafür sehr viele: in der österreichischen Film-Avantgarde beispielsweise.

Ich lese ganz gerne Lyrik – vielleicht weil es heißt der Spielfilm sei die Prosa und der Avantgardefilm das Gedicht. Zuletzt gelesen habe ich von George Steiner "Warum denken traurig macht". Solche Bücher mischen sich aber auch mit dem Vokabular der Psychoanalyse oder mit Büchern über Quantenphysik von Anton Zeilinger. Meine Lehrer waren Peter Tscherkassky und Martin Arnold, ich mag die Filme von Monty Python.

derStandard.at: Dein Name wird häufig in Zusammenhang mit KünstlerInnen wie Kurt Kren, Peter Kubelka oder Valie Export gebracht, um nur ein paar davon zu nennen. Was unterscheidet dich von der österreichischen Film-Avantgarde?

Fruhauf: Ich gehe sicherlich nicht so dogmatische mit den Themen Film und Kino um. Eine Ausweitung des bewegten Bildes ist heute als Thema nicht mehr so vordergründig. Medienfassaden, Handydisplays, YouTube... das bewegte Bild hat sich im Alltag ja bereits durchgesetz. Im Unterschied zu den frühen Experimenten mit dem Medium und seinen Apparturen, versuche ich nicht das Bewegtbild in den öffentlichen Raum zu tragen, sondern bin bereits mit dem, was Expanded Cinema bedeutet, groß geworden.

derStandard.at: Warum ist keine deiner Arbeiten auf YouTube zu finden?

Fruhauf: Wenn ich mich mit einem Medium auseinandersetze, dann will ich auch Antworten auf die Fragen, die ich ihm stelle. YouTube reizt mich im Moment nicht, um meine Arbeiten präsenter oder bekannter zu machen. Aber wenn, dann möchte ich – wie etwa der französische Filmemacher Michel Gondry – mit dem Medium an sich arbeiten.

Man spricht bei digitalen Bildmedien von immer mehr Leistung und immer noch höheren Pixelzahlen, dabei wird die Qualität immer schlechter. Auf YouTube hast du nur noch 15 statt 25 Bilder pro Sekunde – das ist retro: Stummfilme sind damals auch mit 16 Bildern gelaufen. Das wäre zum Beispiel ein Ansatzpunkt, um mit YouTube zu arbeiten.

derStandard.at: Was bedeutet das "A." in deinem Namen?

Fruhauf: Alexander. (lacht)

(fair, derStandard.at, 01.02.2009)