Wien - Ein Spitzenbeamter der Republik soll im Zentrum eines 60-Millionen-Euro-Coups mit Geldern des Arbeitsmarktservice (AMS) stehen. Der leitende Mitarbeiter der Bundesbuchhaltungsagentur wird laut einem profil-Bericht verdächtigt, rund 17 Millionen Euro von Konten der Republik auf Knopfdruck an private Empfänger verschoben zu haben - ohne entsprechende Belege anführen zu können. Daneben soll der Beamte dem privaten Schulungsinstitut Venetia widerrechtlich Schuldscheine der Republik in Höhe von weiteren rund 43 Millionen Euro ausgestellt haben, indem er Forderungen des Instituts gegenüber dem Arbeitsmarktservice bestätigte, die nicht existierten. Die beiden Hauptverdächtigen wurden am Samstag festgenommen.

AMS-Chef Herbert Buchinger hatte höchstpersönlich Anzeige erstattet, auch der Venetia-Eigentümer hat nach Aussagen seines Anwalts mittlerweile Selbstanzeige erstattet. Das Unternehmen befindet sich in Konkurs.

Die Überweisungen per Telebanking sollen unter anderem deshalb möglich gewesen sein, weil eine vom Rechnungshof bereits im Vorjahr beanstandete Sicherheitslücke nie geschlossen wurde.

Das Finanzministerium als übergeordnete Stelle gab daraufhin am Wochenende zusätzliche Details zu dem Finanzkrimi in der ausgegliederten Bundesbuchhaltungsagentur bekannt: So dürften dem mutmaßlichen Täter seine Transaktionen nur dadurch gelungen sein, dass er einer Kollegin den PIN-Code gestohlen hat. Denn ansonsten wären solche Anweisungen gar nicht möglich gewesen, betonte Harald Waiglein, der Sprecher von Finanzminister Josef Pröll (ÖVP). Zur Sicherheit gebe es nämlich die Regel, dass bei solchen Transaktionen via Telebanking zwei Personen ihren Sanktus geben müssten.

Bei der Staatsanwaltschaft hieß es am Sonntag auf Anfrage des Standard, dass die beiden Verdächtigen grundsätzlich geständig seien. Möglicherweise wird die neue Sonderstaatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung den Fall übernehmen. Eigentlich ist diese nur für ab 2009 begangene Delikte zuständig. In Ausnahmefällen kann die Oberstaatsanwaltschaft aber entscheiden, dass auch ältere Fakten übernommen werden - was vor allem die überlasteten Wiener Staatsanwälte freuen dürfte. (APA, simo, DER STANDARD - Printausgabe, 2. Februar 2009)