Wien/Linz - Immer mehr jugendliche Betroffene oder ihre Angehörigen trauen sich, sexuelle und körperliche Gewalt anzuzeigen. Das geht aus dem nun präsentierten Bericht der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft hervor.
Kinderanwälte
Neben allgemeinen Anfragen, die die Kinderanwälte erledigen, werden sie am häufigsten bei Missbrauchsfällen zurate gezogen. Rund 14 Prozent der 2001/02 ausgewerteten 4892 Fälle betreffen Kinder, die Opfer von Gewalt wurden. Kinderanwältin Monika Pinterits bemerkt schon im dritten Jahr ein Ansteigen dieser Fälle. Auch bei der Jugendanwaltschaft in Oberösterreich macht man ähnliche Erfahrungen bei Missbrauchsfällen: "Weniger wird es sicher nicht", heißt es dort.
Experten stehen Jugendlichen bei Prozessen bei
Weil das "Tabu Missbrauch" langsam falle, würden eben mehr Fälle angezeigt. Pinterits und Mitarbeiterin Monika Korber führen das auch auf das Bekanntwerden von Angeboten wie die vor drei Jahren eingerichtete "Soforthilfe" zurück. Bei der stehen Experten Jugendlichen bei Prozessen bei. Wenn sie selbst Missbrauchsopfer sind, oder wenn sie als Zeugen bei Gewalt in der Familie befragt werden. Alleine in Oberösterreich wurden 57 derlei Verfahren in den letzten Jahren durchgezogen. 25 weitere seien aktuell im Laufen, heißt es bei der Jugendanwalt- schaft.
Kostenlose Therapie
Zunehmend zum Problem wird kostenlose Therapie für betroffene Kinder. Seit die Mittel dafür gestrichen wurden, sei man auf Spenden angewiesen, erklärt Korber. Man versuche trotzdem, dies zu organisieren.
Immer öfter "sind wir wie Detektive", berichtet Pinterits von Aufgaben, die an die Jugendanwälte zunehmend gestellt werden. Wenn es nämlich gelte, das Umfeld eines Falles zu klären. Am seltensten wenden sich die Kinder selbst direkt an die Anwälte. Viele hätten Scheu, bei einer Hotline anzurufen. Sie wenden sich eher an Vertraute, die dann - eben vermehrt - bei den Kinder- und Jugendanwälten in den Bundesländern um Rat fragen. (aw, DER STANDARD Printausgabe 8/9.3.2003)