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Für Kreationisten steht alles, was man über die Entstehung der Arten wissen muss, in der Bibel.

Foto: REUTERS/Simon Newman

Von einer besonderen Beziehung Darwins zu Island ist nichts bekannt. Und doch glauben dort immerhin 85 Prozent, dass sich der Mensch aus anderen Lebewesen heraus entwickelt hat. Das ist weltweit Spitze. Am anderen Ende des Spektrums steht Ägypten, dort akzeptieren gerade einmal acht Prozent der Menschen die Evolutionstheorie.

Seit ihrer ersten Formulierung vor 150 Jahren führte Charles Darwins Lehre immer ein Doppelleben: als wissenschaftliche Theorie und als Herausforderung einer traditionellen Weltsicht, die den Menschen als Krone der Schöpfung begreift. Längst ist die Evolutionstheorie so gut belegt, dass kein vernünftiger Mensch daran zweifeln dürfte. Aber das Bedürfnis nach Sinn und der Widerwillen gegen einen vermeintlich blind regierenden Zufall sind stärker als die umfassendste Beweiskette. Und so wurde die "Affentheorie" von Anfang an zum Spielball weltanschaulicher Scharmützel.

Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und der sich beschleunigenden Globalisierung hat sich die ideologische Polarisierung sogar noch verschärft. Im "Mutterland" des Kreationismus, den USA, haben sich zwischen 1985 und 2005 die Gewichte zwischen den Evolutionsgegnern und -befürwortern rein numerisch nur wenig verschoben haben (jeweils etwa vierzig Prozent). Neu ist die enorme Politisierung: Die Korrelation zwischen Kreationisten und der Anhängerschaft der republikanischen Partei ist sehr hoch (Jon D. Miller et al., Science 313, 765f.).

Das durch den Kollaps des Kommunismus 1989 entstandene ideologische Vakuum in Osteuropa nutzten bibeltreue Evangelikale ebenso wie die orthodoxe und die katholische Kirche. Und so ist die Akzeptanzrate der Evolutionstheorie in Osteuropa deutlich niedriger als in Nord- und Westeuropa. In den letzten Jahren gehörte es gar zum guten Ton mancher konservativer Politiker, auf die Evolutionstheorie zu schimpfen.

Der stellvertretende polnische Unterrichtsminister Miroslaw Orzechowski bezeichnete sie im Oktober 2006 sogar als "Lüge", was ihm europaweit Schlagzeilen sicherte. Und nur darum geht es bei dieser Wortmeldungen: Freund und Feind zu zeigen, wofür man steht.

"Argumente" gegen Darwin

Christliche Fundamentalisten versuchen vermehrt auch in Südamerika, Afrika und Asien, den biblischen Schöpfungsglauben als einzige Wahrheit zu etablieren. Ihre immergleichen antidarwinistischen "Argumente" - die Schöpfung sei zu komplex, um durch natürliche Vorgänge entstanden zu sein - werden in den letzten Jahren immer häufiger von islamischen Kreationisten aufgegriffen, besonders lautstark von Adnan Oktar. Der mehrfach gerichtlich verurteilte türkische Kreationist verschickte 2006 kostenlos seinen opulent ausgestatteten "Atlas der Schöpfung" (800 Hochglanzseiten, 5,4 kg) in Übersetzungen auch in viele westliche Länder. Mit seiner Website, die "Informationen" (Texte und Videos) in derzeit 41 Sprachen bietet, wirkt Oktar weit über die Türkei hinaus. Der konservativ-kreationistische Diskurs globalisiert sich.

Dies versucht nun auch die "Gegenseite". Man dürfe den öffentlichen Raum nicht kampflos den Gläubigen überlassen, fanden Ende letzten Jahres die britischen "Humanists". Die deklarierten Atheisten verschafften sich mit dem Slogan "Es gibt wahrscheinlich keinen Gott" auf Bussen in London international mediale Aufmerksamkeit.

Mittlerweile prangt die frohe Botschaft in verschiedenen Sprachen und Formulierungen auch auf öffentlichen Verkehrsmitteln in Italien, Spanien, Kanada und den USA. Die Wirksamkeit derartiger Aktionen bleibt allerdings auf die westliche Welt beschränkt, in den meisten anderen Ländern würden diese Gottesleugner wohl sehr schnell im Gefängnis landen.

Muslimische Wissenschafter

Mit öffentlich plakatiertem Atheismus wird man in muslimischen Ländern freilich nicht wirklich weiterkommen. Salman Hameed vom Hampshire College in Amherst in den USA plädiert an-gesichts der dort sehr niedrigen Akzeptanzrate der Evolutionstheorie dafür, dass muslimische Wissenschafter offensiv und gleichzeitig sensibel auf ihre Mitbürger zugehen sollten (vgl. Science 322, S. 1637f).

An sich verfüge Wissenschaft über großes Prestige in der muslimischen Welt. Dies müsse mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden, um das Feld nicht kampflos Gestalten wie Adnan Oktar zu überlassen. Vergelt's Darwin. (Oliver Hochadel/DER STANDARD, Printausgabe, 04.02.2009)