Budapest/Wien - Für die ungarischen Kreditnehmer wird die Lage immer drastischer: Die Talfahrt des Forint geht beständig weiter. Nachdem am Dienstag der Euro erstmals mehr als 300 Forint kostete, wurde die psychologisch wichtige Marke auch am Mittwoch überschritten.
Das Kernproblem ist, dass Ungarn hinter den baltischen Staaten Europameister bei den Fremdwährungskrediten ist, sich diese Kredite aber allein seit Oktober wegen des Forintverfalls um über 20 Prozent verteuert haben.

Lage ist ernst

"Katastrophe ist das keine, aber die Lage ist ernst" , sagte László Wolf, der Vize-Direktor der OTP, der größten Landesbank, bereits bei einem Gespräch mit dem Standard in der vergangenen Woche. Allein die OTP sitzt auf Fremdwährungskrediten im Wert von rund 2,8 Milliarden Euro, insgesamt haben die Ungarn 19 Milliarden Euro Devisenkredite aufgenommen, die meisten Ungarn haben sich in Schweizer Franken verschuldet.
Auch wenn Wolf keine Zahlen nennen will, rechnen ungarische Banker unter der Hand mit einer beinahen Verdopplung der Ausfallquote, die laut Finanzministerium in Budapest derzeit bei zwei Prozent liegt. Österreichische Banken, wie Raiffeisen International und Erste Bank, die in Ungarn aktiv sind, sieht Wolf dabei weit stärker in der Bredouille als die OTP, die ihre Kreditvolumen bereits vor Oktober zurückgenommen hätte. Die OTP verhandelt dennoch mit der Regierung über ein milliardenschweres Hilfspaket, bis März soll es eine Entscheidung geben.

Risikoaufschläge steigen

Der Anstieg der notleidenden Kredite wird sich angesichts der Wirtschaftslage weiter fortsetzen, heißt es von der Erste Bank zu den aktuellen Zahlen. "Auch die Risikoaufschläge steigen weiter. Wir rechnen damit, dass die Risikokosten von etwa 76 Basispunkten zum Jahresende 2008 im Jahr 2009 auf 90 bis 120 Basispunkte ansteigen" , sagt Bernhard Spalt.
Klar ist inzwischen, dass den Kursverfall des Forint auch der 20 Milliarden Euro-Kreditrahmen, den Budapest im Oktober vom Internationalen Währungsfonds (IWF), Weltbank und EU bekommen hat, nicht stoppen konnte.

Arbeitslose entscheiden

6,9 Milliarden (4,9 vom IWF, zwei von der EU) hat Ungarn inzwischen tatsächlich in Anspruch genommen, und mit dem frischen Geld Staatsschulden getilgt, um eine Verknappung beim Handel mit Staatsanleihen herbeiführen zu können; zuletzt war ja auch der Markt für Staatspapiere zusammengebrochen.
Ob es zu einem Kollaps am Kreditmarkt kommt, das werde sich beim Anstieg der Arbeitslosenzahlen entscheiden, sagt András Inotai, Direktor des Instituts für Weltwirtschaft in Budapest. Inotai rechnet mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit um ein Viertel, von derzeit rund acht auf zehn Prozent.
Die Regierung will kommende Woche daher auch ein Hilsfpaket für Schuldner vorstellen, die ihren Job verlieren: Sie sollen bei Banken für zwei Jahre um reduzierte Tilgungsraten ansuchen können. Wird ihnen das genehmigt, übernimmt der Staat im Gegenzug eine Garantie dafür, dass auch die vorübergehend erlassenen Beträge abbezahlt werden.
Als Hauptproblem gilt, dass sich Ungarn ein Konjunkturbelebungsprogramm nicht leisten kann und mit dem IWF eine Neuverschuldung von maximal 2,6 Prozent des BIP vereinbart wurde. Die sozialistische Minderheitsregierung überlegt daher derzeit, durch Steuerumschichtungen den Arbeitsmarkt zu beleben. So soll etwa die Mehrwertsteuer erhöht, dafür aber der Sozialversicherungsbeitrag gesenkt werden.

Realwirtschaft

Die Krise ist inzwischen auch in der Realwirtschaft angekommen:Die Regierung rechnet mit einem Minus von drei Prozent beim BIP. Die Ungarische Investitions- und Handelsförderungsagentur (ITD) erwartet in der ersten Hälfte 2009 einen Totalstopp der Auslandsinvestitionen, wie ITD-Chef Györgyi Rétfalvi zum Standard sagte. Wenn das Jahresergebnis heuer 50 Prozent vom Vorjahr erreichen würde, sei dies bereits ein Erfolg.
Bei den Exportvolumen rechnet Rétfalvi mit einem Minus von acht Prozent. Wie weit das österreichische Firmen treffen wird, sagt er nicht. Österreich ist mit sechs Milliarden Euro hinter Deutschland der zweitgrößte Investor im Land.(András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.2.2009)