Bild nicht mehr verfügbar.

Der britische Verleger Peter McGee, Herausgeber der "Zeitungszeugen" mit einer aktuellen Ausgabe mit dem Aufdruck "zensiert".

Foto: AP/Lein

Am Donnerstag, wenn die vierte Ausgabe der "Zeitungszeugen" erscheint, dann dürfte eigentlich nichts passieren. Keine Polizei an den Zeitungskiosken in Deutschland, dafür jedoch unzählige Käufer mehr. Davon ist zumindest die österreichische Journalistin und Historikerin Sandra Paweronschitz überzeugt. Sie ist Chefredakteurin der Zeitungszeugen, einem Blatt, das in Deutschland Nachdrucke von Zeitungen aus der NS-Zeit publiziert. Und sie sorgt derzeit in Deutschland für großen Wirbel.

"Wir schaffen mit diesen Zeitungen einen Zugang zur damaligen Zeit. Dadurch können sich die Menschen heute noch einmal ihre eigene kritische Meinung bilden", sagt Paweronschitz zum STANDARD. Dass hier keine NS-Propaganda betrieben werde, sei ja schon an den einbettenden und erklärenden Kommentaren von renommierten Historikern zu erkennen.

Zentralrat der Juden: "Hitler sells"

Doch das sehen in Deutschland nicht alle so. "Kopiervorlagen für Nachwuchs-Nazis", nach dem Motto "Hitler sells" sieht der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, in den Zeitungszeugen. Der Freistaat Bayern schickte in der Vorwoche gleich die Polizei zur Beschlagnahme der "braunen Blätter" aus. Er sah namens des Finanzministeriums das Copyright verletzt. Denn die Rechte am Völkischen Beobachter, der der dritten Ausgabe beilag, sind nach dem Krieg an Bayern übergegangen.

Gegen die Beschlagnahme in der Vorwoche wehrt sich auch der britische Herausgeber Peter McGee: "Wollen die Leute vom Finanzministerium das schwierige Material nur den Akademikern und Geschichtsexperten überlassen? Oder kann das ganze Volk daran teilhaben?", fragt er.

Historiker Botz: "Wer diese nicht zulässt, tabuisiert"

Überrascht von den "fast absurden Anschuldigungen des Neonazismus" ist auch der Wiener Historiker Gerhard Botz, der das Projekt betreut. "Das sind Dokumente des damaligen Alltaglebens. Wer diese nicht zulässt, tabuisiert", meint er zum STANDARD. Er weist auch darauf hin, dass es ähnliche Editionen in anderen europäischen Ländern gegeben habe - auch in Österreich, wo sich aber keinerlei Aufregung bemerkbar machte.

Ganz ohne historisches Zugabe kommen übrigens auch die aktuell erscheinenden "Zeitungszeugen" nicht aus. Es liegt eine Nationalzeitung von 1933 bei. Aber für diese hat Bayern kein Copyright. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD; Printausgabe, 5.2.3009)