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Die Genmutation für die dunkle Färbung ist von Hunden auf den Wolf gekommen.

Foto: AP/Steve Quinn

Washington - Es muss irgendwann in grauer Vorzeit zum ersten Mal passiert sein: Eine Hündin bringt einen Wurf Welpen zur Welt, und einer davon ist schwarz. Oder mehrere sind es. Die neue Färbung zeigt sich vererbbar und breitet sich von da an stetig aus. Den Menschen gefallen die schwarzen Vierbeinern. Später züchten sie gezielt schwarze Rassen. Heute gehören schwarze Pudel, Labradore und ähnliche Varianten von Canis lupus forma domestica zum Straßenbild. Doch wie kommt diese Fellfarbe, auch als Melanismus bezeichnet, biologisch eigentlich zustande?

Wissenschafter haben jahrelang an der Lösung dieser überraschend komplexen Frage gearbeitet. Den Durchbruch schaffte 2007 eine Forschungsgruppe unter Leitung des Genetikers Gregory Barsh von der Stanford University in Kalifornien. Sie wiesen die Schlüsselrolle einer Mutation in einem Gen namens CBD103 nach (vgl. Science, Bd. 318, S. 1418). Das dadurch veränderte Protein ß-Defensin greift in die Pigmentsynthese ein und bewirkt, dass statt gelben Pheomelanins schwarzes Eumelanin produziert wird. Diese KB genannte Genmutation ist dominant über die ursprüngliche Genvariante. Auf der Suche nach dem stammesgeschichtlichen Ursprung der schwarzen Hundefarbe hat Barsh zusammen mit einem internationalen Expertenteam nun auch die Gene der wilden Verwandten von Waldi und Co unter die Lupe genommen. Die Forscher untersuchten die DNA von insgesamt 265 nordamerikanischen Wölfen, unter denen Melanismus ebenfalls weit verbreitet ist, und verglichen sie mit den Genen von Hunden.

Das Ergebnis war eine echte Überraschung: Der Analyse nach ist KB wesentlich jünger als erwartet. Der erste schwarze Canis wurde wohl erst vor etwa 47.000 Jahre geboren, vielleicht auch später. Des Weiteren dürfte das mutierte Gen von Hunden nachträglich an nordamerikanische Wölfe weitergereicht worden sein, schreiben die Forscher in der aktuellen Online-Ausgabe des US-Wissenschaftsmagazins Science.

Die vierbeinigen Begleiter der amerikanischen Ureinwohner, die vor rund 14.000 Jahren über die damals trocken gelegte Beringstraße kamen, hätten KB demnach in die neue Welt gebracht und sich mit den dort bereits lebenden Wölfen gepaart. Die Untersuchung offenbart indes nicht nur genetische Details, sie hat auch große ökologische Relevanz. Schwarze Wölfe treten in nämlich nicht überall gleich häufig auf. In Waldgebieten sind 62 Prozent der Tiere schwarz- oder dunkelgraugefärbt.

In der kahlen kanadischen Tundra dagegen lebt ein spezialisierter "Ökotyp" von Canis lupus, der Jagd auf Karibus macht und deren Herden auf ihren Wanderungen folgt (vgl. Molecular Ecology, Bd. 16, S. 4149). Diese Wölfe sind zu 93 Prozent weiß- oder hellkoloriert. Unter ihnen tritt KB nur selten auf, bei den Waldwölfen ist jedoch die Mehrheit Träger der Mutation.

Positiver Effekt für Waldwölfe

Offensichtlich hat die natürliche Selektion die Schwarzpelze in Waldgebieten stark begünstigt. Das könnte eine Folge besserer Tarnung sein. Es könnte aber auch sein, dass andere, bislang unbekannte Faktoren eine Rolle spielen. "Die Weitergabe von Genen domestizierter Tiere hat jedenfalls einen positiven Effekt auf die Überlebensfähigkeit wildlebender Waldwölfe", betont Stanford-Biologin Tovi Anderson, Erstautorin der neuen Studie, im Gespräch mit dem Standard. Dies sei ein bisher einzigartiger Fall.

Unter eurasischen Wölfen ist Melanismus übrigens unbekannt, mit Ausnahme von italienischen Wolfspopulationen. Letztere kreuzen sich regelmäßig mit Hunden. Hier hat sich die Geschichte offenbar wiederholt. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. Februar 2009)