Das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" ist am Freitag im Wiener Straflandesgericht zur Zahlung einer Entschädigung von insgesamt 4.000 Euro an die Ehefrau von Josef F. verurteilt worden. Nach Ansicht von Richterin Lucie Heindl-König hatte das Magazin mit einem Anfang Mai 2008 erschienenen Artikel über den Inzest-Fall von Amstetten ("Der Terror des Patriarchen") den höchstpersönlichen Lebensbereich der Ehefrau des 73-Jährigen verletzt.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Sowohl der Rechtsvertreter des "Spiegel" als auch die Anwältin der Klägerin erbaten Bedenkzeit.

Wie die Richterin in ihrer ausführlichen Urteilsbegründung deutlich machte, müsse "dieser Kriminalfall, der seinesgleichen sucht" für die Medien "berichtbar" bleiben. Es sei daher zulässig, das Familienleben im Haus F. näher zu beleuchten, "um den Hintergrund verstehen zu können". Eine "anlassbezogene, behutsame Berichterstattung" über die Ehefrau und die Kinder des Mannes, der in Amstetten seine Tochter 24 Jahre in einem Keller gefangen gehalten, missbraucht und mit ihr sieben Kinder gezeugt hatte, sei selbst dann zu tolerieren, wenn diese dem höchstpersönlichen Lebensbereich der Betroffenen sehr nahe kommt. "Sonst könnte man über diesen Fall ja nicht berichten", betonte Heindl-König.

Das deutsche Nachrichtenmagazin habe in seinem mehrseitigen Artikel jedoch "eine Information zu viel" veröffentlicht, befand die Richterin. Details aus dem Ehe- und Sexualleben der Familie F. hätten nämlich primär "die Neugier und Sensationslust der Leser befriedigt". Die Ehefrau dürfe aber nicht zum "medialen Freiwild" erklärt werden, weshalb sie eine - wenn auch deutlich unterhalb ihrer Forderung angesiedelte - Entschädigung zugesprochen bekam. (APA)