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Trotz Nikotinersatzmitteln kommen viele Raucher längerfristig nicht von den Zigaretten los. Nun könnten Wissenschafter eine Erklärung dafür gefunden haben.

Foto: Dimas Ardian/Getty Images

Paris/Wien - Eine mögliche Ursache, warum viele Raucher trotz Nikotinersatzstoffen mittel- und langfristig nicht von der Zigarette loskommen, lieferten nun Wissenschafter um Jean-Pol Tassin vom College de France in Paris. Sie klärten, dass Nikotin - im Gegensatz zu Drogen wie Kokain, Morphin oder Alkohol - einen bestimmten Suchtmechanismus nicht auslöst. Erst in Kombination mit gewissen anderen Tabakstoffen, so die Forscher, zeigt das Nikotin diese Wirkung.

Die Forscher um Tassin haben herausgefunden, dass viele Drogen zwei Gruppen von Nervenzellen voneinander trennen. Die sogenannten noradrenergen Zellen setzen Noradrenalin frei, dieser Stoff trägt zur Aufmerksamkeits-, Emotions-, Schlaf-, Traum- sowie Lernprozessregulation bei. Die serotoninergen Zellen setzen dagegen das Serotonin frei, dies spielt eine Rolle bei der Temperatur-, Schlaf-, Schmerz-, Stimmungs- und Appetitregulierung.

Keine Abkoppelung durch Nikotin

"In der Regel sind beide Gruppen so miteinander verbunden, dass eine gegenseitige Kontrolle entsteht", so die Forscher. Bei Süchtigen jedoch bricht das neuronale Gleichgewicht zusammen und sie können ihr Verlangen nicht mehr zügeln. Nun konnten die Wissenschafter klären, dass das Nikotin, im Gegensatz zu anderen Rauschgiften, nicht zur Abkopplung beider Neuronengruppen führt.

Erst die Kombination von Nikotin mit anderen Tabakstoffen, den Monoaminooxidase-Inhibitoren (MAOI) kommt es zur für andere Drogen üblichen Entkopplung. Die MAOI zerstören den natürlichen Schutz der serotoninergen Nervenzellen gegenüber Nikotin: den serotoninergen 5-HT1A Rezeptor.

Die Nikotin-Auswirkung auf die Freisetzung von Serotonin ist so stark, dass im Bruchteil von Sekunden eine sogenannte "Retro-Kontrolle" ausgelöst wird, welche die Serotonin-Freisetzung unmittelbar blockiert. Ohne den Schutz des 5-HT1A Rezeptors lösen sich die vom Nikotin stark angeregten serotoninergen Neuronen von der anderen Neuronengruppe. Dies verursacht den Suchtprozess.

Neue Therapieansätze

Nach Meinung der Wissenschafter ist dies der Grund, weshalb viele Rauchentzugstherapien scheitern. Die Nikotinkaugummis und -pflaster seien am Anfang der Behandlung wirksam, das heißt, solange die Wirkung der IMAO andauere. Einige Wochen nach dem Entzugsbeginn seien im Organismus keine MAOI mehr zu finden. Dadurch werde der natürliche Schutz des 5-HT1A-Rezeptors wieder aktiv. Die Entdeckung könnte zur Entwicklung neuer Therapieansätze führen, sind die Experten überzeugt. (APA)