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"Musikantenstadl"-Präsentator Karl Moik

Foto: APA/Kc Communications

Innsbruck - "Cultural Studies" ist Label: Etikett für vorgeblich zeitgemäße Geistes- als synonymisch behauptete Kulturwissenschaften. Dabei geht es mehr um eine sozialwissenschaftlich fundierte Methode, die in analytischer Betrachtung der Verknüpfung von Politik (Herrschaft), Kultur und Alltagsleben eine revolutionäre intellektuelle Praxis meint.

Vor allem britische Beispiele werden bei der laufenden Tagung "Cultural Studies - Inter-/Transdisziplinarität und Institutionalisierung" in Innsbruck präsentiert. Weiterer Fokus: Gestalt(ung) der österreichischen Cultural-Studies-Szene zu einem Zeitpunkt, in dem universitäre Implementierung stattfindet, während der ministerielle Forschungsschwerpunkt, der fünf Jahre eine Fächerung von Projekten ermöglicht hat, ausläuft.

Die deutsche Rezeption der Cultural Studies (CS) beleuchtet der Politologe Roman Horak, der 18 Jahre lang als "prekärer Intellektueller" die Verankerung der disziplinlosen Disziplin beobachtet und betrieben hat: Wissenschafter befänden sich mit Projektende in existenziell bedrohlichen Situationen, auch die aktuelle akademische Befestigung sei ambivalent. Weil sie sich personell unabhängig von der Szene vollzogen habe, und wegen der inhaltlichen Ausrichtung von "Kulturwissenschaften/Cultural Studies", die mit dem "leidigen Schrägstrich" eine fragwürdige Gleichsetzung nahe legten.

Außeruniversitär verortete Forscher, analysiert Horak, unterstrichen den politischen Impetus auch in der Präsentation: Susanne Lummerding und Anette Baldauf wählten die VHS Ottakring für ihren richtungsweisenden Cultural-Studies-Workshop.

Baldaufs Projekt "Shopping" zeigt den genuin soziologischen Ansatz: Aus einer Feldstudie analysierte sie Shoppen als identitätsstiftende jugendkulturelle Praxis im Bezugsrahmen von Konsumption, Unterhaltung und Bildung, zwischen Affirmation und Intervention.

Auffällig am heimischen Forschungsfeld ist das frühe Interesse für Fußball, an das jüngst Matthias Marschik anknüpfte, mit einer Studie zu Frauenfußball. Sein Befund: Fußball bleibe ein "Zufluchtsort von Männlichkeit". Tradierte Geschlechterordnung werde "beibehalten und verteidigt" - Frauenfußball, "Herausforderung des Sportraums", bleibe randständig, von Sponsoren ignoriert.

Was auch Horaks jüngster Anregung blühen könnte: die "Rekatholisierung Österreichs durch den Musikantenstadl" zu untersuchen, anhand derer sich die Verbindung von Ideologisierung und "volkstümlicher Musik" aufzeigen ließe. Spannend, da die Rezeption von CS im deutschen Sprachraum auch über Jugendkultur und die "Poplinke" erfolgt ist. Und im Austromarxismus die Wiege der Cultural Studies zu finden ist. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9. 3. 2003)