Berlin/Hamburg/New York - Der Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), Mohamed ElBaradei, hält eine friedliche Entwaffnung des Irak für möglich. Der "Bild am Sonntag" sagte ElBaradei auf die Frage, ob der Irak auf friedlichem Weg komplett entwaffnet werden könne: "Ja, das halte ich für möglich." Die Hauptverantwortung liege beim Irak. "Er muss in den nächsten Tagen und Wochen konkrete Abrüstungsschritte einleiten, wenn er die Anwendung militärischer Gewalt noch verhindern will", sagte ElBaradei laut Vorausbericht.

In den 90ern war Abrüstung möglich - trotz fehlender Kooperation des Iraks

Es lasse sich nie völlig ausschließen, dass die UNO-Inspektoren im Irak ein "kleines Waffenlager oder einen Stapel Dokumente" übersehen könnten, sagte ElBaradei. "Eines darf man aber nicht vergessen: In den 90er Jahren hat die IAEO die Abrüstung des irakischen Kernwaffenprogramms erreicht - obwohl damals die Bereitschaft Bagdads zur Kooperation deutlich geringer war und es keine militärische Drohkulisse gab." Die Zusammenarbeit der Iraker reiche zwar noch nicht aus, sie sei aber deutlich besser geworden, sagte ElBaradei. Die Atomwaffen-Inspektionen machten wichtige Fortschritte. "In einigen Monaten wären wir in der Lage, zuverlässig zu beurteilen, ob der Irak sein Kernwaffenprogramm wieder aufgenommen hat oder nicht."

Auf die Frage, ob sich die UNO-Inspektoren von den USA unter Druck gesetzt fühlten, antwortete ElBaradei: "Keineswegs. Unsere Organisation pflegt ausgezeichnete Beziehungen zu den Amerikanern." Die USA haben dem Irak eine Frist bis 17. März gesetzt, um vollständig abzurüsten und so einen Krieg zu verhindern. Über einen entsprechenden Resolutionsentwurf soll der UNO-Sicherheitsrat nach dem Willen der USA kommende Woche abstimmen.

Nordkorea gefährlicher: Pjöngjang habe nämlich Inspektoren ausgewiesen

ElBaradei gab sich im Interview außerdem davon überzeugt, dass von Nordkorea eine größere Bedrohung für den Weltfrieden ausgeht als vom Irak. "In beiden Fällen sorgen wir uns um die Weitergabe von Atomwaffen", sagte der UNO-Chefwaffeninspektor der "Bild am Sonntag".

"Der Unterschied ist: Im Irak können wir jetzt mit einem Team hoch qualifizierter Inspekteure prüfen, ob es ein neues Kernwaffenprogramm gibt. Beweise dafür liegen uns nicht vor. In Nordkorea wurden die IAEO-Inspekteure dagegen im Dezember zum Verlassen des Landes gezwungen. Und wir wissen, dass Nordkorea in der Lage ist, atomwaffenfähiges Plutonium herzustellen." Der IAEO-Direktor appellierte: "Das darf die internationale Gemeinschaft nicht tolerieren. Alle Staaten sollten gleich behandelt werden."

UNO-Waffenkontrollore verstärken Inspektionen

Angesichts eines drohenden Kriegs in Irak prüfen die UNO-Rüstungskontrollore zur Zeit mit Hochdruck das Bagdader Potenzial an Massenvernichtungswaffen. Der Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO und Chefinspektor für das irakische Atomprogramm, Mohamed El Baradei, sagte der Nachrichtenagentur AP in New York: "Wir geben so viel Gas wie möglich." Die Arbeit werde fortgesetzt, "bis uns gesagt wird, dass wir aufhören müssen".

El Baradei betonte, dass die Inspektoren so lange wie möglich im Irak bleiben wollten, um sicher zu sein, nichts übersehen zu haben. Da seine Mitarbeiter im ganzen Land verteilt seien, würden sie möglicherweise als erste eine von den USA geführte Invasion in den Irak bemerken. In diesem Fall werde die IAEO sofort den Sicherheitsrat alarmieren und mit dem Abzug ihrer Teams beginnen. Sollte es zum Krieg kommen, wüsste die Welt dank der Inspektionen wenigstens, dass der Irak über kein Atomprogramm mehr verfüge. "Es ist in der Tat eine große Erleichterung zu wissen, dass der Irak keine Atomwaffen hat", sagte El Baradei. (APA/AP/Reuters)