Bild nicht mehr verfügbar.

Der britische Evolutionsbiologe Nick Barton berechnet, wie natürliche Selektion und Artbildung abläuft. Und warum es Sex gibt.

Foto: APA/I.S.T.

Wien/London - "Man kann Darwin heute gar nicht genug würdigen", sagt Nick Barton angesichts all der Festivitäten an Darwins 200. Geburtstag. "Sein wissenschaftlicher Einfluss ist in den vergangenen 150 Jahren nämlich stets noch weiter gewachsen", so der britische Evolutionsbiologe. Während Darwins Theorie der Evolution noch zu Lebzeiten anerkannt worden sei, habe es damit beim Konzept der natürlichen Selektion noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gedauert.

Nick Barton wurde gestern als erster Professor am Institute of Science and Technology in Klosterneuburg (IST Austria) präsentiert - und diese Berufung lässt nach dem Fehl- bzw. Frühstart mit dem Dann-doch-nicht-Direktor für die Zukunft des IST Gutes hoffen: Mit Barton konnte nämlich ein internationaler Top-Wissenschafter gewonnen werden, der zudem ausgerechnet heute eine der exklusivsten Auszeichnungen erhält, die in der Welt der Biologie zu gewinnen ist: die Darwin-Wallace-Medaille.

Die wird nämlich seit 1908 nur alle 50 Jahre vergeben - damals, um dem 50-Jahr-Jubiläum der gemeinsamen Veröffentlichung der Evolutionstheorie durch Darwin und seinem Koentdecker Alfred Russel Wallace zu gedenken. Letzterer erhielt damals auch die einzige Goldmedaille.

Die diesjährigen Silbermedaillengewinner lesen sich wie das Who's who der Evolutionsbiologie: Neben Barton werden unter anderem auch noch Fachgrößen wie Stephen Jay Gould und John Maynard-Smith (beide posthum), Lynn Margulis oder das Ehepaar Grant geehrt, das seit 35 Jahren immer Neues über die Darwinfinken auf Galápagos herausfindet.

"Darwin würde sein Fach heute kaum wiedererkennen", sagt Barton, der auch Mitglied der Royal Society ist und bei rund 10.000 ISI-Zitierungen hält. Damit meint er vor allem die Mathematisierung der Evolutionsbiologie. Barton selbst verbringe kaum mehr Zeit mit Feldforschung, sondern sitze vor allem am Computer. Mit komplizierten mathematischen Modellen wird zum Beispiel errechnet, wie sich die natürliche Selektion auf Ebene der Gene vollzieht.

Dass er nun von Edinburgh nach Klosterneuburg übersiedelte, hat vor allem mit dem internationalen und interdisziplinären Konzept des IST zu tun, das er für "absolut erfrischend hält". Dazu kommt, dass sich in Edinburgh immer mehr Bürokratie zwischen der Projektfinanzierung und der eigentlichen Forschung eingeschlichen habe.

Von Gelb- zu Rotbauchunken

Berühmt wurde Barton unter anderem für seine Arbeiten über Gelb- und Rotbauchunken und die verschwimmenden Artgrenzen. Die beiden Krötenarten haben sich zwar vor fünf Millionen Jahren getrennt, doch Barton entdeckte zehn Kilometer breite Streifen mit Hybriden, wo die eine Art in die andere übergeht, was er erstmals auch an den ein- und ausgeschalteten Genen zeigen konnte.

Eine andere große, eher theoretische Frage, die ihn umtreibt: Warum gibt es überhaupt Sex? "Man geht davon aus, dass sexuelle Reproduktion für genetische Variation beim Nachwuchs sorgt und dies vor Krankheiten schützt", so Barton. "Das zu beweisen ist aber nach wie vor eine Herausforderung."

Die klingt sehr nach anwendungsferner Theorie, ist es aber nicht. In Edinburgh hatte er engste Kooperationen mit Elektrotechnikern, die an der Optimierung der Energieversorgung von Satelliten arbeiteten. "Die waren an unseren Modellen der natürlichen Selektion ganz besonders interessiert." (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 13.2.2009)