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Foto: epa/Georgi Licovski

In Sportlerkreisen wird Seitenstechen als typischer Anfängerfehler abgetan. Wer ungestüm wie ein Kind von null auf hundert beschleunigt, darf sich nicht wundern: Hohes Anfangstempo beim Laufen kann ebenso wie ein unergonomischer Laufstil, holpriger Untergrund und Nervosität vor dem Wettkampf, den stechenden Schmerz provozieren. Mögliche Auslöser sind also bekannt. Eine wichtige Frage bleibt aber weiterhin offen: Was tut beim Seitenstechen überhaupt weh?

Sämtliche Organe und Strukturen im Bauchraum wurden von Wissenschaftlern bereits zur Verantwortung gezogen. Einige gängige Erklärungsmodelle anbei:

Die Milz

Wer sich körperlich anstrengt, braucht auch mehr Blut für seine tätigen Muskeln. Der Blutspeicher Milz verzichtet zugunsten der Skelettmuskulatur und presst den roten Saft in die Blutbahnen. Die Schmerzrezeptoren in der Milzkapsel werden bei dieser Tätigkeit stimuliert. Ein Punkt spricht gegen die Milztheorie: Das Organ liegt im linken Oberbauch. Zwei Drittel aller Geplagten kämpfen jedoch eher rechts mit dem Schmerz.

Die Leber

Der Blutmehrbedarf der Muskulatur verursacht eine vorübergehende Unterversorgung der Leber. Wieder lokalisiert sich der Spannungsschmerz in der bindegewebigen Kapsel eines Organs. In diesem Fall allerdings rechts.

Der Verdauungsapparat

Ausgiebiges Essen und Trinken füllt Magen, Dick- und Dünndarm. Das zusätzliche Körpergewicht macht sich beim Laufen bemerkbar. Jeder Bodenkontakt erschüttert den gesamten Organismus. An den Bändern, die der Aufhängung der Eingeweide im Bauchraum dienen, wird dabei kräftig gezogen. Weh tun die Eingeweide oder die Bänder (Ligamente). Wer an zweites glaubt, bevorzugt die Ligamenttheorie. Kleines Detail am Rande: Nicht was, sondern wie viel gegessen wird, ist entscheidend für die Schmerzintensität.

Zwei Einwände sind hier berechtigt: Erfahrene Athleten treten eine Trainingseinheit oder einen Wettkampf wohl eher kaum mit vollem Bauch an. Jedoch sind sie auch bei strengster Einhaltung ernährungsphysiologischer Empfehlungen nicht gefeit vor dem Seitenstechen. Besonders schwer in Einklang zu bringen lässt sich die Verdauungsapparat-Ligamenttheorie mit dem Schwimmsport, denn Schwimmer sind im Wasser so gut wie keinen Erschütterungen ausgesetzt. Die Antwort auf die Frage warum auch ihnen das Schmerzphänomen bestens vertraut ist, bleibt hier offen.

Das Zwerchfell

Der größte Atemmuskel im menschlichen Organismus trennt Brust- vom Bauchraum. Während der Ausatmung wölbt sich diese Muskelplatte konvex in den Brustraum vor und wird dabei maximal durchblutet. Womit auch die Atmung als mögliche Ursache in Frage kommt. Wer zu kurz ausatmet, sorgt für eine inadäquate Durchblutung und einen Sauerstoffmangel im Zwerchfell, wie der gesamten Zwischenrippenmuskulatur. Eine belastungsbedingte Unterversorgung, die Schmerzen bereitet, zugunsten der arbeitenden Skelettmuskulatu.

Eine Theorie, die vor allem Sportmediziner für sehr wahrscheinlich halten. Vorbehalte entstehen aber in Hinblick auf den Reitsport, der eine relativ hohe Seitenstechenprävalenz besitzt. Da Reiten rein atmungstechnisch betrachtet, keine große Herausforderung ist, existiert hier die Vermutung, dass die Erschütterungen eventuell schmerzhafte Dehnungskräfte am Darm auslösen.

Alternative Rudern

Es bleibt eine persönliche Entscheidung, welche Theorie man zur Ursache für das eigene Seitenstechen heranzieht. Sicher ist: Mit zunehmendem Alter nimmt die Häufigkeit und der Schweregrad der stechenden Attacken so oder so ab. Wer jung ist, Sport betreiben will und unter keinen Umständen Seitenstechen erleben möchte, der verlegt sich am besten aufs Rudern. In dieser Sportart ist das Phänomen angeblich gänzlich unbekannt. (phr, derStandard.at, 13.2.2009)