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Johanna Dohnal steht im guten Kontakt mit ihren Nachfolgerinnen: "Ich rufe auch von selber an".

foto: AP/Lilli Strauss

Was wäre die österreichische Frauenpolitik ohne Johanna Dohnal? In ihrer langjährigen Amtszeit zuerst als Frauenstaatssekretärin, später als erste Frauenministerin Österreichs, lenkte die leidenschaftliche Sozialdemokratin den politischen Blick unbeirrt auf strukturelle Grundfragen wie die eigenständige Existenzsicherung für Frauen. Sie vertrat aber auch Themen, die aus damaliger Perspektive Tabus waren: Die Durchsetzung der Fristenlösung und die Institutionalisierung der Frauenhausbewegung in Österreich gehören zu jenen Erfolgen Johanna Dohnals, die sie gemeinsam mit der Frauenbewegung erreicht hat. Am Samstag wurde die Politikerin 70 Jahre alt. Mit dieStandard.at sprach sie über die Unmöglichkeit des politischen Ruhestands, das Problem von "Arbeitsplätzchen" für Frauen und für welche politischen Errungenschaften sie selbst noch im Rollstuhl durch die Straßen ziehen würde.

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dieStandard.at: Sie wurden dieser Tage 70 Jahre. Seit 1995 sind sie nicht mehr Frauenministerin. Können Sie sich vorstellen, dass Sie tatsächlich einmal in politischen Ruhestand gehen?

Johanna Dohnal: Politisch nicht tätig zu sein kann ich mir nicht vorstellen, aber Politik passiert ja nicht nur in der Regierung. Ich würde mir wünschen, breit und überall in der Zivilbevölkerung. Ich bin immer politisch tätig, auch ohne Parteifunktionen.

dieStandard.at: Was waren Ihre persönlichen Motive für den Rücktritt 1995?

Dohnal: Ich war 16 Jahre Mitglied der Bundesregierung - das zehrt. Ich hatte das Gefühl, es ist jetzt genug. Intern hatte ich den Rückzug schon angekündigt, nur der Zeitpunkt der Umsetzung war für mich damals nicht optimal. Meine Nachfolgerin hätte auch gleich den Vorsitz in der Frauenorganisation übernehmen sollen.

dieStandard.at: Werden Sie von Ihren Nachfolgerinnen oft um Rat gefragt?

Dohnal: Also die Jahre 2000 bis 2006 klammere ich aus, aber ja doch, werde ich schon. Ich rufe auch von selber an und stehe mit allen Frauen in gutem Kontakt.

dieStandard.at: Als Frauenstaatssekretärin und dann als Frauenministerin haben Sie sehr stark mit der Frauenbewegung zusammengearbeitet. Wie wichtig war diese Zusammenarbeit für ihren Erfolg?

Dohnal:  Das war sehr wichtig, das kann man mit Beispielen auch belegen. Die Frauenhausbewegung war damals erfolgreich und ist heute finanziell abgesichert, zwar immer noch nicht ausreichend, aber immerhin. Das konnte erreicht werden durch die institutionelle Funktion, die ich hatte und das Heranführen meiner eigenen Partei an solche Fragen wie Gewalt an Frauen. Aber auch im Kampf gegen die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs war die Zusammenarbeit mit der Frauenbewegung sehr fruchtbar.

dieStandard.at: Wie ist das in der Frauenpolitik heute, wo die Frauenbewegung nicht mehr so sichtbar ist?

Dohnal: Ich würde nicht sagen, dass sie nicht sichtbar ist. Es hat sich aber natürlich einiges verändert. Viele Frauen sind noch immer aktiv vielleicht unter einem anderen Titel, z.b. die Beratungsstellen. Sie alle sind politisch tätig, es ist nur nicht so sichtbar, so ausgesprochen wie es eine Zeitlang war. Aus den Initiativen sind Projekte entstanden, die auch abhängig sind von öffentlichen Geldern und damit in verschiedensten Abhängigkeiten stecken.

dieStandard.at: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der von Ihnen beschriebenen Institutionalisierung der Frauenbewegung und den Entwicklungen in der Frauenpolitik?

Dohnal: Seit 2000, also in der schwarz-blauen bzw. orangen Regierung wurde alles getan, um Leistungen für die Frauen zurückzuschrauben und andere Leistungen zu forcieren, die darauf hinauslaufen, dass die Frauen zuhause bleiben und nicht ihre eigenständige Existenz sichern können. Natürlich war das schwer anzugreifen, weil ja vor allem Frauen auf dem Land gar keine Möglichkeit haben, Arbeitsplätze zu bekommen. Aber die Auswirkungen zeigen sich halt immer erst im Leben der Frauen später. Das musste immer wieder aufgezeigt werden und das haben die sozialdemokratischen Frauen getan. Und in Regierungsverantwortung haben sie sich darum gekümmert, das Kindergeld in diese Richtung abzuändern. Und jetzt stehen wir ja angeblich davor, das einkommensabhängige Kindergeld zu bekommen, damit gleichzeitig auch mehr Männer diese Aufgaben übernehmen.

dieStandard.at: Der Fokus auf das Kindergeld in den letzten Jahren, das sehen Sie nicht als Stagnation?

Dohnal: Nein, das war ein eindeutiger Rückschritt und durchgängige Politik in den Jahren von Schwarz-Blau. Das zeigt sich ja auch in der Bildungspolitik, eine enorm frauenpolitische Frage für Mädchen wie auch für Mütter, die belastet sind durch die Schulmiseren, die nicht und nicht zu lösen waren mit der ÖVP. Ich hoffe, jetzt ist ein neuer Geist vorhanden und es können Fortschritte erzielt werden.

dieStandard.at: In Ihrer Haltung zu politischen Fragen haben Sie immer sehr frei gewirkt. So traten Sie z.B. für eine Legalisierung von Sexarbeit ein, betrachten das Tragen eines Kopftuches allerdings als Zeichen der Unterdrückung. Nach welchen Kriterien kommen Sie zu einer Entscheidungsfindung in den immer komplexer werdenden Geschlechterfragen?

Dohnal: Was das Kopftuch betrifft, so bin ich jetzt natürlich nicht mehr so gefordert, aber natürlich mache ich mir auch Gedanken, erlebe Auseinandersetzungen mit. Mein Standpunkt in dieser Frage ist klar: Die Verschleierung der Frau ist nicht nur Religion, das ist auch Politik. Das geht gegen die Menschenwürde. Ich weiß natürlich, dass das viele anders sehen.

dieStandard.at: Man kann auch sagen, dass das Tragen des Kopftuches eine Form der Selbstbestimmung ist.

Dohnal: Natürlich ist es sehr schwierig. Wenn ich heute noch aktive Politikerin wäre, würde ich da mehr hinschauen. Allerdings haben wir damals auch schon Lefö unterstützt, dass es sich gründen konnte und wir haben Veranstaltungen zu Migrantinnen gemacht. Vieles ist ja auch auf Landesebene geregelt und da ist es sehr unterschiedlich. Ich kann Ihnen heute nicht über den Tisch sagen, ob ich für ein Verbot eintreten würde oder nicht.

dieStandard.at: In ihrer aktiven Zeit haben Sie sich sehr stark für Frauenquoten in der Partei eingesetzt. Woran scheitert die aktuelle Forderung, Frauenquoten in der Privatwirtschaft zu etablieren?

Dohnal: Als erstes geht es darum, dass die Durchsetzungsstrategien in der Politik verbindlich festgelegt werden. Sonst haben wir bei der nächsten Wahl nicht mehr 28 Prozent, sondern 20 Prozent Frauen im Parlament. Ohne Sanktionen ist das nicht durchzusetzen, dazu muss sich die Partei aufraffen, ich sage das schon seit Jahren.

Was die Wirtschaft betrifft, haben wir seit 1991 das Gleichbehandlungs- und Frauenförderungsgesetz für den Bundesdienst mit verpflichtenden Quoten von 40 Prozent. An der Spitze rührt sich da noch ganz wenig, im Gegenteil gibt es Anzeichen von Mobbing gegenüber Frauen in der Chefetage. Der Widerstand ist unendlich. Da haben wir also ein Regulativ und für die Privatwirtschaft brauchen wir auch irgendeine Bindung.

dieStandard.at: Warum hat sich die SPÖ in dieser Forderung so schnell geschlagen gegeben?

Dohnal: Das müssen sie die SPÖ fragen, die ich ja nicht bin. Damals beim Gleichbehandlungs- und Frauenförderungsgesetz war es mir wichtig, dass die Spitzenpositionen für Frauen geöffnet werden, aber auch die mittlere Ebene. Und ebenso wichtig war mir die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die unteren Verwendungsgruppen. Das war dann ein Paket. Was die Diskussion um die Aufsichtsräte betrifft, so sind die natürlich auch wichtig, aber die anderen zwei Ebenen mindestens genauso.

dieStandard.at: Eigentlich müssten doch gerade jetzt die Chancen für solche 'Bindungen' der Wirtschaft gut stehen. An die Stützpakete für die Unternehmen könnten doch auch geschlechterdemokratische Forderungen geknüpft werden ...

Dohnal: Der Staat könnte aktiv werden, ja. Aber wie angeblich die Frauenbewegung nicht sichtbar ist, so ist das Frauenthema überhaupt nicht sichtbar. Es gehört viel mehr aufgezeigt, dass es die Frauen sind, die von der Krise am meisten betroffen sein werden. Defacto spielt das Frauenthema keine Rolle, weder in der Politik noch in den Medien.

dieStandard.at: Sehen Sie durch die Finanzkrise einen Bruch mit dem "Terror der Ökonomie", wie Sie einmal gesagt haben?

Dohnal: Heute sehen wir das Ergebnis. Ich habe mich natürlich die ganze Jahre aufgeregt über diese Globalisierungsfantasien. Nur wurde das jahrelang getrommelt, sodass die Menschen wirklich der Meinung waren: Es ist ja wahr, wir können uns das nicht leisten, wir müssen den Gürtel enger schnallen. Jetzt purzeln die Milliarden durch die Gegend, ziemlich interessant.

Die Haftungen bringen der Republik natürlich auch Geld. Aber Aufklärung passiert zu wenig. Es müsste viel klarer und einfacher gesagt werden, was da eigentlich los war.

dieStandard.at: Die eigenständige Existenzsicherung von Frauen war immer Ihr Kernanliegen. Heute arbeiten immer mehr Frauen, aber sie sind mit Männern am Arbeitsmarkt längst nicht gleichgestellt, Stichwort Lohnschere, Teilzeit, niedrig qualifizierte Jobs. Was kann die Politik dagegen tun?

Dohnal: Die Konsequenz daraus wäre, dass man Arbeitsplätze bekämpft, die nicht existenzsichernd sind. Es ist schon wahr, dass die Frauenbeschäftigung hoch ist, aber eben genau durch diese zerstückelten Posten. Eine Frauenvorsitzende des ÖGB hat einmal 'Arbeitsplätzchen' dazu gesagt. Aber wo muss man ansetzen? Im Kindergarten, der eine Bildungseinrichtung sein sollte. In der Schule, die so gestaltet sein soll, dass sie für Mädchen und Mütter eine Zielsetzung verfolgt. Die Berufswahl von Frauen ist nach wie vor einseitig, die meisten Mädchen machen Frisörin und Bürokauffrau. Bis zu den Studienrichtungen haben wir eine Einseitigkeit.

dieStandard.at: Sie haben es einmal als 'Tabu' bezeichnet, die Frauenpolitik ihrer Nachfolgerinnen nach ihrem Abgang zu kommentieren. Was müsste passieren, damit sie dieses Tabu brechen?

Dohnal: Da gibt es sicher mehrere Themen. So lange ich lebe, werde ich nicht zulassen, dass an der Fristenlösung etwas geändert wird. Abschaffen will sie ja keiner, aber die aktuellen Kirchentöne nehme ich schon ernst. Da würde ich mich an die Spitze einer Bewegung stellen, und wenn sie mich im Rollstuhl hinfahren müssten. Nur habe ich da keine Angst bei meinen Kolleginnen.

Sehr wichtig ist mir auch die Pensionsfrage, da stand ich das letzte Mal 2003 am Westbahnhof. Das niedrigere Pensionsalter für Frauen ist per Verfassungsgesetz festgeschrieben. Ich sage nur einen Satz: Keine Frau mit 35 kann ihr Leben rückwirkend ändern. Auch der Wunsch der ÖVP Ehe und Familie in die Verfassung wäre für mich ein Thema, wo ich mich sehr dagegen einsetzen würde. (Die Fragen stellte Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 15.2.2009)