Schlaf ist physiologisch unabdingbar und beherrscht unser Leben wie kaum eine andere Funktion

Foto: Initiative Gesunder Schlaf/digidas

Tagesmüdigkeit gilt bei Verkehrs- und Arbeitsunfällen als Risikofaktor Nummer 1. Kein Wunder, denn der Körper reagiert auf Schlafmangel wie unter Alkoholeinfluss. "Wer nicht geschlafen hat, macht Fehler", bestätigt Manfred Walzl von der Grazer Landesnervenklinik im Rahmen einer Pressekonferenz der "Initiative Gesunder Schlaf" in Wien.

Schlafdefizit wie Alkohol im Blut

Wer nachts nur vier Stunden geschlafen hat, weist dieselbe Reaktion auf, als eine Person mit 0,5 Promille Alkohol im Blut. Durch Müdigkeit sinkt die Wahrnehmungsfähigkeit, die Reaktionszeit steigt an. Merk- und Entscheidungsfähigkeit, psychomotorische Koordination und das Verarbeiten von Informationen vermindern sich. Autofahrer werden unaufmerksam, Fehler häufen sich – im schlimmsten Fall schläft der Fahrer ein. Fast jeder vierte tödliche und rund jeder dritte Unfall insgesamt geht auf ein Schlafdefizit zurück. Die Kombination aus Schlafmangel und Alkoholkonsum potenziert die negativen Effekte. Mittlerweise ist zusätzlich zur Promille-Bestimmung mittels "Alkomat" auch die Übermüdung messbar. Mit Pupillometrischen Schläfrigkeitstests ist es seit kurzem möglich, objektiv die Fahr(un)tüchtigkeit aufgrund von Übermüdung festzustellen. Bei Verkehrskontrollen eingesetzt werden die Geräte noch nicht.


Müder Körper, müde Wirtschaft

Schlaf ist physiologisch unabdingbar und beherrscht unser Leben wie kaum eine andere Funktion. Rund 24 Jahre werden schlafend verbracht. "Im Schlaf regenerieren wir uns und schöpfen Kraft für den nächsten Tag", sagt Walzl. Ungenügende Erholung schränkt nicht nur die Lebensqualität des Einzelnen massiv ein, sondern führt zudem durch Leistungsverminderungen zu Milliardenverlusten in der Wirtschaft. Direkte Behandlungskosten durch Arztbesuche und Medikamente sind nur ein Bruchteil der tatsächlichen finanziellen Last. Wesentlich stärker wirkt sich dagegen die verminderte Produktivität der Betroffenen im Berufsleben aus. Weltweit verursachen müdigkeitsbedingte Leistungseinbußen rund 400 Milliarden Euro Verlust, in Österreich sind es rund vier Milliarden. Schlafstörungen wirken sich aber nicht nur auf die Wirtschaft aus, sondern auch umgekehrt: „Bei der derzeitigen wirtschaftlichen Lage nehmen Schlafstörungen rapide zu", so Walzl. Den Arzt konsultiert jedoch nur jeder Dritte.


Mehr als ein Drittel der Österreicher betroffen

Die Zahl der von Schlafstörungen betroffenen Personen ist alarmierend: In Österreich leiden rund 3,2 Millionen darunter, die Ursachen dafür sind unterschiedlich. Derzeit sind 88 verschiedene Diagnosen bekannt. Nicht-organische kommen im Gegensatz zur den organischen Ursachen (Erkrankungen) sehr viel häufiger vor: Stress, unregelmäßige Lebensführung, aufputschende Substanzen, Alkohol, Nikotin, Koffein, Medikamente oder Lichtverhältnisse können die Schlafqualität nachhaltig beeinträchtigen. Besonders der Stressfaktor lässt viele Personen nachts wach liegen.

Schlafstörung als Symptom

Bei nicht-organischen Schlafstörungen betont die Ganzheitsmedizinerin Michaela Trnka die gemeinsame Ursachensuche von Arzt und Patient. Eine ganzheitliche Therapie der Schlafstörung beruhe auf der Ausschaltung, oder zumindest Kontrolle der Ursachen, Stressreduktion und Optimierung des Lebensstils. Oftmals sei es dabei auch sinnvoll, kurzfristig medikamentös einzugreifen, da so der Teufelskreis zwischen Schlaflosigkeit und Erschöpfung effektiv unterbrochen werde. Trnka empfiehlt, zu natürlichen Substanzen zu greifen, welche die Regulation des natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus unterstützen. Eine Behandlung mit Melatonin sei ein Mittel der ersten Wahl bei der medikamentösen Behandlung von Schlafstörungen, so die Medizinerin. (Ursula Schersch, derStandard.at, 17.02.2009)