Beim Rundgang durch das Obergeschoß der Standard-Redaktion erkannte ein Experte trotz eines "wirklich nur oberflächlichen Blicks", wo Energie verschwendet wird. Die Wände seien Kältebrücken, zu viel Wärme gehe verloren.

Energieforscher Hubert Fechner sieht Sanierungsbedarf bei manchen Fenstern
im STANDARD-Haus in der Wiener Herrengasse.

Foto: STANDARD/Fischer

Undichte Fenster, schlechte Lüftung, nie ausgeschaltete Drucker: Schon jetzt ließen sich 80 Prozent der Energiekosten in der Redaktion einsparen, sagt Energieforscher Hubert Fechner beim Lokalaugenschein.

Hubert Fechner ist ein höflicher Mensch. Daher drängt er einem das, was für ihn offensichtlich ist, nicht auf. Außer man fragt. Dann bleibt Fechner zwar höflich – aber doch auch ehrlich: "Also diese Fenster sind in keinem guten Zustand", sagt Fechner deshalb, während er die Hand im vierten Stock des STANDARD-Hauses an die Unterkante eines Kippfensters in der Kulturredaktion hält, "den Luftzug spürt man ja nicht erst, wenn man die Hand hierher legt."

Hubert Fechner ist kein Tischler. Er verkauft auch keine Isolierfenster. Fechner ist Wissenschafter. An der Fachhochschule Technikum Wien ist er Instituts- und Studiengangsleiter am "Institut für erneuerbare Energien und erneuerbare urbane Energiesysteme". Energieberatung, also auch die Vor-Ort-Analyse, wo in einem Gebäude wie viel Energie verschwendet wird, gehört daher nicht zu seinem Kernarbeitsfeld. Doch auf Einladung des STANDARD wirft er doch einen kurzen, "wirklich nur oberflächlichen" Blick auf die Heiz- und Lüftungssituation und den Umgang mit Energie im vierten Stock des Hauses Herrengasse 19.

Hier sind neben der Kultur- und Medienredaktion auch Außenpolitik, Rondo und Verlagsbeilagen zu Hause. Zum Teil wird neben "klassischen" Altbaufenstern, zum Teil unter schrägen Dachflächenfenstern gearbeitet. Die Heizkörper sind betagt: Das Haus ist ein typischer Herrschafts-Altbau im ersten Wiener Gemeindebezirk und in durchschnittlich gutem Zustand.

Fechner weiß das. Und seufzt: "Die Energiekennzahl dieses Hauses liegt bestimmt weit über 100 Kilowattstunden im Jahr. Zum Vergleich: Bei einem Passivhaus liegt der Wert bei 15 Kilowattstunden pro Jahr."

Ganz normale Sünden

Das "Sündenregister" sei "ja ziemlich offensichtlich": etwa ein altes Heizsystem und Dachflächenfenster, durch die die Sonne blendet – weshalb sie mit Rollos verschlossen werden und man den ganzen Tag bei Kunstlicht arbeitet. Oder Räume, in denen es im Sommer auch einmal mehr als 35 Grad hat – wogegen man sich mit Ventilatoren und kleinen, oft privaten Klimageräten wappnet. Drucker, auf und neben denen sich nie abgeholte Ausdrucke vom Nachmittag zuvor stapeln. Kaffeemaschinen und allerlei Ladegeräte, die nie ausgeschaltet oder abgezogen werden. "Das Übliche eben", erklärt der Energieforscher – und kommt zu den nicht sofort sichtbaren Faktoren, "den großen Brocken": Dachböden, Kellerdecke und Wände, mutmaßt er, wären wohl kaum nach heute gängigen Standards isoliert. Und davon, dass schon im Keller – "wenn dort eure Heizanlage steht" – über Kessel und Verrohrung locker zehn Prozent der Heizenergie ungenutzt verpuffen, könne man auch ausgehen. Sein Fazit: "Ein enormes Sanierungspotenzial."

Freilich: Davor, der Malaise fleckerlteppichartig zu Leibe zu rücken, warnt der Energieforscher. "Fenster abzudichten, wenn die Wände weiterhin Kältebrücken sind, bringt nichts. Das kann sogar kontraproduktiv sein, denn es fördert die Schimmelbildung." Stattdessen rät Fechner zu einer umfassenden Gesamtanalyse – und dem daraus folgenden Gesamtkonzept. Doch dass das nicht passieren wird, weiß der seit zwanzig Jahren für erneuerbare Energien missionierende Wissenschafter, bevor er es sagt: Derartige Maßnahmen kosten viel Geld. "Solange ein Objekt ohnehin vermietet ist, hat ein Vermieter nichts davon, zu sanieren. Und bei den derzeitigen Energiepreisen ist der Faktor Energie in den Betriebskosten eines Unternehmens im Bürobereich nicht relevant."

Imagegründe

Nicht nur beim STANDARD: "Wir haben schon einmal mit der Gemeinde Wien gemeinsam nachgedacht. Auch dort machen die Gebäudeenergiekosten nicht einmal ein Prozent der Ausgaben aus: Wer in diesem Bereich etwas tut, tut das nur aus Imagegründen." Fechner macht eine Pause. Nachsatz: "Noch."

Denn in einem Punkt ist sich der Wissenschafter sicher: "Das Thema wird kommen. Und zwar rascher, als uns lieb ist." Spätestens wenn der Ölpreis wieder anzieht, meint der Energieforscher, werde auch die Frage der Energieeffizienz von Bürogebäuden mehr als ein Randthema werden. "Aber dann wird es um einiges teurer sein."

Die Einsparpotenziale, betont Fechner, lägen jetzt schon bei 80 Prozent. Und das "ohne Komfort zu verlieren, im Gegenteil: Wo es keine Kältebrücken gibt oder wo man nicht beim Fenster hinaus heizt, herrscht ein angenehmeres Raumklima – das steigert den Komfort."

Dass das nicht nur im privaten Hausbau, sondern auch im Bürobereich denk- und leistbar ist, beweise nicht zuletzt seine eigene Fachhochschule: "Unser Institut in der ,Energybase' ist so ein Passivhaus. Die Errichtungskosten lagen im normalen Rahmen – und schon bei den derzeitigen Energiekosten amortisieren sich die Mehrkosten in wenigen Jahren."

Wer da von "Peanuts" spricht, die durch das Ausschalten von Rechner, Drucker und Kaffeemaschine einsparbar sind, wird auf ein globales Niveau gehoben: "Mag sein, dass Standby-Energiekosten nur 50 Euro pro Arbeitsplatz und Jahr ausmachen – aber EU-weit sind das jährlich 50 Terrawatt. Zum Vergleich: In ganz Österreich werden 60 Terrawatt Strom pro Jahr verbraucht."

Und auf derartige "Kleinigkeiten" zu achten, meint Energieforscher Fechner, sei daher weit mehr als ein Spleen. Dass etwa der Ölmulti BP sein Markenkürzel mittlerweile auch als "beyond petrol" lesen lässt, sei "ein Zeichen: Wir stehen vor einem Umbruch – auch wenn das keiner hören will. Die fossilen Brennstoffe gehen zur Neige. Was uns dann bleibt, sind erneuerbare Energien. Aber um damit unseren Lebensstandard halten zu können, bleibt uns gar keine andere Wahl: Wir müssen alle Einsparungspotenziale ausreizen. Und zwar wirklich bis zum Gehtnichtmehr." (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.2.2009)