Ernst Mach konnte mit seinen Geschoßfotografien (von 1893) auch das "Luftgeschoß" um die Kugel herum sichtbar machen

Foto: Mach

"Die Erschießung des Kaisers Maximilian von Mexiko" von Edouard Manet von 1868 ist ein ungewöhnliches Bild. Die Soldaten haben bereits gefeuert, der Kaiser und seine beiden Generäle aber stehen noch. Gezeigt wird also jener winzige Bruchteil einer Sekunde, in der die tödlichen Kugeln bereits den Lauf verlassen, aber noch nicht in die Oberkörper der Opfer eingeschlagen haben. Die Kugel sieht man nicht, nur den Pulverdampf.

Was für das Auge des Menschen unsichtbar bleiben muss, macht die Fotografie sichtbar, so der Wissenschaftshistoriker Peter Geimer (ETH Zürich). 1886 gelang es dem Physiker Ernst Mach, eine Kugel im Flug abzubilden. Die Geschoße in seinem Prager Labor waren zu langsam gewesen, also wandte er sich an Peter Salcher von der k. k. Marineakademie in Fiume (heute Rijeka). Dessen Stahlmantelgeschoße bewegten sich mit 530 Metern pro Sekunde. Mach ersann folgende Versuchsandordnung: Das Projektil löst die Entladung einer elektrostatischen Batterie aus und erzeugt damit unmittelbar und für einen sehr kurzen Moment einen Beleuchtungsfunken für die bereitstehende Kamera. Auslöser und Gegenstand der Fotografie sind wie bei Muybridges Pferdeaufnahmen also dieselben. Das Pferd löste im Galopp durch das Durchtrennen von über die Rennbahn gespannten Drähten 24 hintereinandergeschaltete Kameras aus.

Der Clou von Machs Experiment: Das Labor war völlig abgedunkelt, die Blende der Kamera musste also nicht erst geöffnet werden, die Kamera selbst war ständig bereit. Machs Geschoßfotografien gelten als experimentelle Glanzleistung. Sie zeigen nämlich nicht nur die Kugel, sondern auch den Verdichtungskegel aus Luft, den das Projektil vor sich "herschiebt". Dieses "Luftgeschoss" hatte einige Jahre zuvor bereits der belgische Physiker Melsens postuliert, ohne aber Belege liefern zu können.

Um das Unsichtbare sichtbar zu machen, muss die Apparatur der Sichtbarmachung unsichtbar werden, so Christoph Hoffmann vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin. Auf den allerersten Geschoßfotografien Machs und Salchers sind die Spuren des Experiments noch deutlich zu sehen. In späteren Aufnahmen, wie in jener von 1893, wird der Entstehungshintergrund buchstäblich ausgeblendet, oder es wird überhaupt nur ein Schema gezeigt. So entsteht der Eindruck, die Kamera schaut "objektiv" einem "natürlichen" Vorgang zu. (Oliver Hochadel / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.2.2009)