Cockpit und vorderster Rumpfteil des A380, die in Hamburg gefertigt werden, passieren die Markthalle im französischen Städtchen Lévignac auf dem Weg zur Endmontage in Toulouse.

Foto: Spudich

Flugzeugbau à la Ikea: Endmontage des Airbus A380 in Toulouse.

Foto: Spudich

Kurz vor Mitternacht sind in dem kleinen Städtchen Lévignac nahe Toulouse an normalen Werktagen längst die Gehsteige hochgeklappt. Aber diese Mittwochnacht ist anders. Schon vor dem Ort versperrt Gendarmerie die Straße, blinken blaue, rote, gelbe Lichter aufgeregt. Junge Gendarmen brausen auf ihren Motorrädern auf und ab, scheuchen Schaulustige vom Straßenrand auf die Gehsteige, obwohl weit und breit keine Fahrzeuge zu sehen sind.

Blinklichter am Horizont

Kellner mit langen Schürzen aus einem Bistro schenken ihren Gästen, die vor die Tür übersiedelt sind, Rotwein ein. Anderswo belehrt ein aufgebrachter Gendarm zwei eingeschüchterte junge Mütter über die Gefahren, die ihnen und ihren Kindern drohen, wenn sie nicht schleunigst auf die Seite gehen. Vor Lévignacs wahrscheinlich einzigem Wahrzeichen, einem aus Ziegelsäulen erbauten, überdachtem offenen Markt, scharen sich Fotografen und zwei Fernsehteams, die sonst wohl von hier nur wenig zu berichten haben.

Dann, noch auf Distanz, eine Polizeisirene, am Horizont ein ganzer Schwarm weiterer Blinklichter. Endlich erste Konturen: Wie eine riesige weiße Theaterkulisse überragt eine skurrile Plastik alle Häuser. Der erste überbreite Laster des "Convoi Exceptionnel" ist eingetroffen, darauf der zwölf Meter hohe, 45 Meter lange Flügel für einen Airbus A380. Zwei weitere Schwertransporter werden folgen, noch ein Flügel sowie das schräg gelegte, 27 Meter hohe Höhenleitwerk des Riesenjumbos. Die Prozession legt eine kleine Pause ein, ehe das mit silbernen Planen verhangene imposante Cockpit langsam vorbeizieht. Zwei riesige Röhren, mit weißen und roten Planen verschlossen, bilden die Nachhut.

Fronleichnamsprozession

Im Schritttempo bewegt sich der Konvoi auf seinen Bestimmungsort zu, das A380-Montagewerk in Toulouse. Wie bei einer nächtlichen Fronleichnamsprozession folgen Menschen dem Zug ein Stück. Im Schritttempo geht es voran, immer wieder muss angehalten werden, damit keine Schilder abrasiert werden. Eineinhalb Kilometer ist der Zug lang, und fast eine dreiviertel Stunde braucht er, um diesen Flaschenhals zu passieren. Zuvor hat der Convoi - der 48. Spezialtransport dieser Art - in dreiwöchiger Reise die Teile von Werken in Hamburg, Broughton in Wales, St. Nazaire in Frankreich und Cádiz in Spanien eingesammelt, auf dem Seeweg mit einem Spezialschiff nach Pauillac bei Bordeaux verfrachtet, über eigens konstruierte Bargen auf der Garonne nach Langon verschifft, ehe er die letzten 240 Kilometer auf der Straße zurücklegt. Donnerstag um zwei Uhr früh ist es schließlich geschafft, die Rumpfteile mit der Seriennummer 38 sind in der Montagehalle angekommen, wo bereits Flügel und Leitwerk bereitstehen. Aufgrund der Montagelogik reisen sie dem Rumpf voraus, während der eben angekommene Konvoi Flügel und Höhenleitwerk für den nächsten A380 mitbringt.

Noch geht die Produktion der Riesenjumbos sehr langsam voran. Rund 100 Tage dauert der Zusammenbau der Teile, die Montage des Fahrwerks und der Triebwerke, die Verlegung hunderter Kilometer an Kabeln und die Auskleidung der Kabine in der Halle. Dann wird im Freien lackiert und ausgestattet, getestet und Probe geflogen. Erst zu Jahresende wird die Lufthansa aus diesen Teilen ihren ersten fertigen A380 im Airbus Delivery Center in Toulouse übernehmen können - mehr als zwei Jahre später als ursprünglich geplant.

Produktion wird gesteigert

Aber die Kinderkrankheiten der Produktion seien ausgestanden, sagt Airbus-Sprecher Stefan Schaffrath, jetzt werde die Produktion langsam hochgefahren, von einem auf eineinhalb Stück pro Monat. Eine ernsthafte Gefährdung der Nachtruhe in Lévignac scheint das aber noch nicht zu sein. (Helmut Spudich aus Toulouse, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22.2.2009)