Dirk Schumacher: "Es wird in den USA und Europa eine Stabilisierung zu Jahresmitte geben und dann ein Wachstum um die Nulllinie."

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Der deutsche Ökonom Dirk Schumacher von Goldman Sachs sieht Probleme bei der Verstaatlichung der Banken, erwartet keine US-Erholung und sieht Österreichs wirkliches Ostrisiko in der Reaktion der Märkte. Eric Frey sprach mit ihm in Wien.

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STANDARD: Deutschland hat diese Woche die Enteignung von Banken ermöglicht. Ist das aus Ihrer Sicht der richtige Weg?

Schumacher: In vielen Fällen mag die Verstaatlichung die sauberste Lösung sein, damit nicht dem Steuerzahler am Ende eine große Rechnung bleibt. Aber man muss sich wirklich überlegen, wie sich das Geschäftsmodell von Banken verändert, wenn sie unter staatlicher Kuratel stehen. Wird dann die Risikovorsorge geringer, weil der Staat das Interesse hat, mehr Kredite zu vergeben, obwohl die Bank die Bilanz schrumpfen will? Gerade das deutsche Beispiel zeigt, dass ein Bankensystem unter staatlicher Kontrolle nicht unbedingt besser funktioniert.

STANDARD: Aber die Banken müssen ja mehr Kredite vergeben, damit die Wirtschaft wieder anspringt.

Schumacher: Wenn ich das will, dann muss ich die Banken dazu auch in die Lage versetzen. Dann muss der Staat ihnen mit Garantien oder Eigenkapitalzuschüssen helfen. Den Banken einfach zu sagen, ihr müsst mehr Kredite vergeben, das würde zur Katastrophe führen, dann wären die Banken endgültig hin. Denn in einer Rezession müssen sie natürlich ihre Risikosituation überdenken.

STANDARD: Die Krise ging von den USA aus, aber nun könnten sich die USA schneller erholen als die Eurozone. Ist das wahrscheinlich?

Schumacher: Es wird in den USA und Europa eine Stabilisierung zu Jahresmitte geben und dann ein Wachstum um die Nulllinie. Aber die fundamentalen Probleme liegen in den USA, und dort wird die Anpassung sehr viel länger dauern. Ich bin für die USA sehr pessimistisch. Europa als Ganzes hat keine Sparquote, die unter null lag, kein riesiges Leistungsbilanzdefizit und nicht so viele Bilanzen zu bereinigen. Wir kriegen die Kollateralschäden von allem ab, aber wir haben keine Ungleichgewichte, die wir abbauen müssen. Aber wenn die Amerikaner mehr sparen, dann müssen andere mehr konsumieren - und das gilt vor allem für die Deutschen.

STANDARD: Reicht das deutsche Konjunkturpaket dafür aus?

Schumacher: Von der Größe her schon, aber es wäre schöner gewesen, wenn es schon früher Impulse setzen würde. Das meiste kommt erst in der zweite Jahreshälfte oder 2010 zum Tragen, und das ist ein Problem. Wir brauchen die schnellstmögliche Unterstützung. Deshalb hätte ich mir mehr Steuersenkungen gewünscht. Die wirken sich schneller aus. Denn wie schnell kann der Staat Investitionsvorhaben wirklich umsetzen?

STANDARD: Wie sehr ist Österreich durch das Ostengagement seiner Banken gefährdet?

Schumacher: Die Kredite im Osten betragen 68 Prozent von Österreichs BIP. Sollten wie einst in der Asienkrise 30 Prozent der Kredite ausfallen, dann wären das fast zehn Prozent des BIP. Das tut schon weh. Österreichs Schulden würden sprunghaft ansteigen, aber es könnte weiterhin seine Schulden bedienen. Wenn der Markt das allerdings ganz kritisch sieht, dann könnten die Zinsaufschläge auf Staatsanleihen so hoch werden, dass es zum echten Problem wird. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22.2.2009)