Für große Volumina stellt der Corporate Bond Markt für Unternehmen derzeit teilweise eine bessere Möglichkeit der Finanzierung dar als über Bankkredite, erklärt RZB-Analyst Matthias Lauermann im Gespräch mit derStandard.at. Vom Emissionsvolumen her startete das Jahr sehr gut, die durchschnittliche Laufzeit der Anleihen bleibt nahezu unverändert. Staatliche Garantien für Unternehmensanleihen hält er für politisch nicht durchsetzbar. Die Fragen stellte Martin Putschögl.

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derStandard.at: Was ist auf dem Corporate-Bond-Primärmarkt an Neuemissionen zu erwarten, bezogen auf die einzelnen Sektoren?

Matthias Lauermann: Grundsätzlich hält sich das Sektorengemisch relativ gleich. Insbesondere die Versorger, die Telekoms und die Industrie haben immer schon wichtige Plätze eingenommen. Ähnlich groß ist der zyklische Konsum, da sind die Volumina jetzt aber ein bisschen zurückgegangen, weil die Investoren davor etwas zurückschrecken. Zyklische Unternehmen können jetzt am ehesten unter die Räder kommen.
Vom Volumen her startete das Jahr sehr gut, im Jänner gab es mit rund 43 Milliarden Euro ein All-time-High. Im Februar hält der Trend an. Der Primärmarkt ist offen für Emittenten mit entsprechender Bonität, das heißt im Investment-Grade-Bereich. Im High-Yield-Bereich (Unterschied siehe "Wissen") gab es zuletzt nur eine nennenswerte Emission seit vielen Monaten, das war die Fresenius, also ein Pharma-Unternehmen, das ganz klar nicht zyklisch ist. Damit tun sich die Investoren deutlich leichter.

derStandard.at: Der Primärmarkt ist also offen, im Gegensatz zum Sommer/Herbst 2008?

Lauermann: Ja, der Primärmarkt läuft. Für große Volumina stellt der Corporate Bond Markt für Unternehmen derzeit teilweise eine bessere Möglichkeit der Finanzierung dar als über Bankkredite.
Einbrüche gab es letztes Jahr immer, insbesondere im Sommer 2008, aber auch zu Jahresanfang - da waren es im Jänner und Februar nur jeweils rund sechs Milliarden an Emissionsvolumen. Insgesamt lag das Volumen im Vorjahr aber im Durchschnitt.

derStandard.at: In einer Analyse Ihres Hauses vom vergangenen Dezember verweisen Sie auf einen hohen Refinanzierungsbedarf insbesondere im Telekom-Sektor...

Lauermann: Telekom gehört immer schon zu den klassischen Emittenten, deshalb muss der Bedarf hier auch ständig "weitergerollt", die auslaufenden Anleihen ständig refinanziert werden.
Insgesamt bleiben die Tilgungen auf dem selben Niveau wie 2008. Das High-Yield-Segment ist zwar nicht ganz so aktiv, aber das macht volumensmäßig nur einen Bruchteil aus. Bei den Telekoms ist ein bisschen weniger als 2008 zu erwarten, aber prozentual gesehen fast das Gleiche - etwas über 20 Prozent, damit sind sie das Schwergewicht. Telekom ist auch weiterhin der relativ größte tilgende Sektor, deshalb ist dort auch wieder mit entsprechend vielen Emissionen zu rechnen. Da geht es um großvolumige Anleihen, die zahlt man selten aus der Portokassa.

derStandard.at: Ist bei den Laufzeiten der Corporate Bonds eine Änderung festzustellen?

Lauermann: Die Laufzeiten bleiben in etwa gleich: Durchschnittlich hatten wir 2008 sechs Jahre Laufzeit, im Jänner 2009 waren es 6,1 Jahre. Das bleibt also ziemlich stabil. Der Index hat derzeit eine durchschnittliche Laufzeit von rund fünf Jahren. Da sind aber auch "reifere" Anleihen drinnen, nicht nur neu emittierte.
Man darf nicht vergessen, dass es auch nach wie vor mitunter sehr lange Laufzeiten gibt. Tesco emittierte etwa 2007 eine Anleihe mit 50-jähriger Laufzeit. Außerdem sehen wir die Tendenz zu zwei Tranchen, einer kürzeren und einer längeren. Die Emittenten versuchen, relativ viel gleich zu platzieren, und nehmen zwei Tranchen, zum Beispiel eine drei- und eine siebenjährige - dadurch steigt die durchschnittliche Laufzeit.
Die Volumina pro Emission sind im Jänner deutlich angestiegen, im Schnitt sind wir jetzt bei einer Milliarde. 2008 waren es noch 850 Millionen. Die größten Emissionen im Jänner waren von Volkswagen und Toyota mit jeweils 2,5 Milliarden Euro.

derStandard.at: Wie attraktiv sind Unternehmensanleihen derzeit für Investoren?

Lauermann: Vor allem im Investment-Grade-Bereich sind Corporate Bonds wegen der etwas höheren Sicherheit und derzeit schon attraktiven Spreads grundsätzlich absolut attraktiv. Im High-Yield-Bereich auch - da besteht aber das Problem, dass auf Einzeltitelbasis die Ausfallsraten gerade am Ansteigen sind. Hier muss man natürlich sehr selektiv vorgehen, weil es sonst passieren könnte, dass man zwar einen sehr attraktiven Bond hat, der aber in einem halben Jahr nicht mehr existiert.
Wir von der RZB geben jedenfalls auf Jahressicht eine Kaufempfehlung ab sowohl für High Yield als auch für Investment Grade. Bei High Yield beträgt die Risikoprämie für Non-Financials derzeit etwas mehr als 2.000 Basispunkte gegenüber Staatsanleihen, das heißt 20 Prozent; bei Investment Grade immerhin noch rund 300 Basispunkte. Von diesem Gesichtspunkt aus sind Corporate Bonds sicher attraktiv, zumal auch das Durchschnittsrating auf Investment-Grade Seite weiterhin A beträgt.

derStandard.at: Noch eine Frage zur Staatshaftung für Unternehmensanleihen, die von mehreren Seiten bereits gefordert wurde. Wird sie kommen?

Lauermann: Nein, wir glauben nicht daran. Das Investment-Grade-Segment, also jenes, wo der Staat dafür Verständnis ernten würde, wenn er Garantien gibt, kann ohnehin Anleihen platzieren und erhält auch Kredite. Wenn der Staat aber sagt, wir garantieren nur die, die sonst nicht emittieren könnten, dann bewegen wir uns in das High-Yield-Segment, und da nimmt die Bonität entsprechend ab. Ob das politisch durchsetzbar ist, dass der Staat Garantien für diese Anleihen gewährt, ist stark zu bezweifeln. Wenn der einzige Effekt dieser Garantie wäre, die Refinanzierungskosten dieser Unternehmen zu senken, wäre das nämlich ein massives Eingreifen des Staats in das Finanzsystem. (derStandard.at, 23.2.2009)