KGB-Oberstleutnant Wladimir Wetrow fotografiert tausende geheime Papiere für die Franzosen.

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Ohne einen Autounfall in den Sechzigerjahren in Paris wäre die Mauer womöglich nicht 1989 gefallen. Der russische Spion Wladimir Wetrow warb damals in Frankreich Spitzel für den KGB an und unterhielt zugleich beste Verbindungen zu den Franzosen. Als er eines Abends betrunken ein heimlich vom Ministerium geliehenes Auto demolierte, half ihm ein Freund vom französischen Geheimdienst (DST) aus der Patsche.

Einige Jahre später wandte sich Wetrow aus Moskau wieder an diesen Freund. Von seiner Karriere und dem System schwer enttäuscht ("Der Kreml ist eine alte, müde Hure!") wollte der frustrierte Oberstleutnant nun dem Westen helfen, der Sowjetunion zu schaden.

Bis in die frühen Achtzigerjahre lieferte er der zunächst verdutzten, später von der Masse an geliefertem Top-Secret-Material überforderten DST angeblich rund 4000 hochexplosive Dokumente, detaillierte Informationen zur sowjetischen Industriespionage und den Schwächen der sowjetischen Militärmaschinerie und Wirtschaft. Ronald Reagan sollte die "Operation Farewell", wie der Codename Wetrows lautete, später als die Spionageaffäre des Jahrhunderts bezeichnen.

Jean-François Delassus greift für seine zweiteilige Dokumentation auf ausführliche (teils historische) Zeitzeugeninterviews zurück - darunter jenes mit dem letzten Vorsitzenden des KGB, dem Armeegeneral Wladimir Alexandrowitsch Krjutschkow - und erhielt erstmals Zugang zu lange verschlossenen Archiven.

Sein Film Farewell zeichnet das Bild eines untypischen Doppelagenten und eines sehr eigenwilligen Helden. Delassus zeigt einen primär durch sein Geltungsbedürfnis motivierten Wetrow, der dem westlichen Feind das vom KGB gehütete System detailliert aufbereitet "wie einen Versandhauskatalog" verrät. CIA und Pentagon seien darob "aus allen Wolken gefallen", Reagan und Mitterand erfuhren erst durch Wetrow von der tatsächlichen Schwäche der UdSSR. (Isabella Hager/DER STANDARD; Printausgabe, 25.2.2009)