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Der damalige serbische Präsident Milan Milutinović (re.) im Oktober 1999, nach dem Kosovokrieg in der südserbischen Stadt Niš.

Foto: Reuters/Zvezdan Mancic

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Milan Milutinovic im Gerichtssal in den Haag (Archivbild aus den Jahr 2003)

Foto: Reuters/Michael Kooren.

Der ehemalige serbische Präsident Milan Milutinović ist vom UN-Tribunal für Ex-Jugoslawien vom Vorwurf der Kriegsverbrechen im Kosovo freigesprochen worden. Fünf Mitangeklagte wurden zu Haftstrafen verurteilt.

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Slobodan Milošević, der eigentliche Hauptangeklagte, war nicht mehr dabei, als das Den Haager Kriegsverbrechertribunal im sogenannten "Kosovo-Verfahren" am Donnerstag sein erstes Urteil sprach. Der frühere serbische und jugoslawische Präsident war im März 2006 im Gefängnis des Tribunals gestorben. Sein Vertrauter Milan Milutinović (66), der von 1998 bis 2002 an der Spitze des serbischen Staats stand, wurde nun überraschend vom Vorwurf der Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Kriegs im Kosovo 1998/99 freigesprochen.

"Er war gut informiert und wusste von den Einsätzen im Kosovo, aber das Kommando hatte Milošević" , so urteilte das Gericht. Gleichzeitig wies Richter Iain Bonomy die Argumente der Verteidigung zurück, wonach die Nato-Bombardements verantwortlich waren für die Flucht von 800.000 Kosovo-Albanern nach Albanien und Montenegro. Die breitangelegte Terrorkampagne der jugoslawischen Volksarmee und der serbischen Armee sei es gewesen, die die Massenflucht verursacht habe. "Mit einer Ausnahme haben alle Zeugen dies bestätigt. Es ist ausgeschlossen, dass sich diese Zeugen bis ins kleinste Detail abgesprochen haben" , sagte Bonomy bei der Urteilsverkündung.

Lange Haftstrafen

Das Gericht verhängte für fünf weitere Angeklagte im "Kosovo-Verfahren" lange Haftstrafen. Nikola Sainović (60), der damalige stellvertretende jugoslawische Ministerpräsident wurde zu 22 Jahren Haft verurteilt. Als gewichtig beurteilte das Gericht auch die Rolle von Armeechef Dragoljub Ojdanić (67), der zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde: "Er wusste von der exzessiven Gewalt gegen Zivilisten und hat die Militäraktionen befehligt."

Der frühere Kommandant der Dritten Armee, Nebojša Parković (62), spielte nach Auffassung des Haager Tribunals eine große Rolle. Er habe zu jener Zeit direkten Zugang zu Milošević und direkte Befehlsgewalt über die in Verbrechen verwickelte Armeeteile gehabt, so das Gericht. Parković und Sreten Lukić (53) vom serbischen Innenministerium wurden zu 22 Jahren Haft verurteilt, der sechste Angeklagte im Verfahren, Vladimir Lazarević (59) vom Priština-Corps, erhielt 15 Jahre.

Das "Kosovo-Verfahren" begann im Juli 2006. An 285 Verhandlungstagen wurden 133 Zeugen einvernommen und mehr als 4000 Beweisstücke vorgelegt. Milutinović hatte sich 2003 freiwillig dem Tribunal gestellt.

Das serbische Innenministerium hat seinerseits am Mittwoch einen internationalen Haftbefehl gegen 19 Personen ausgeschrieben, die für den Angriff auf eine Einheit der jugoslawischen Armee im Mai 1992 in Sarajevo verantwortlich sein sollen. Dabei wurden damals 42 Soldaten getötet, 73 verletzt und 215 festgenommen. Es handelte sich hauptsächlich um Rekruten. Unter den Angeklagten befinden sich laut Medienberichten auch zwei Mitglieder des damaligen bosnischen Kriegspräsidiums, der Bosniake Ejup Ganić und der Kroate Stjepan Kljujić.

Die Anklage beruht auf der Behauptung, dass die bosnischen Behörden trotz des vereinbarten Rückzugs der jugoslawischen Armee den Befehl zum Angriff auf die Soldaten erteilt hätten. Ganić bezeichnete die Anklage der serbischen Staatsanwaltschaft als "lächerlich" , denn auf der Liste seien "all jene, die Bosnien verteidigt haben" .

Ein Urteil gegen Serbien

Die Funktionärin der serbischen Liberal-demokratischen Partei (LDP), Vesna Pesić, erklärte, Belgrad wolle mit dieser Anklage ein politisches Gleichgewicht zum Urteilsspruch gegen die ehemalige serbische Staats-, Militär- und Polizeispitze vor dem UNO-Tribunal in Den Haag herstellen. Die meisten Serben glauben, dass es sich dort nicht um ein Urteil gegen Einzelpersonen, sondern gegen den serbischen Staat handle.

Serbiens nationalistische Opposition behauptet, der serbische Staat soll in Den Haag für die angebliche ethnische Säuberung der Albaner im Kosovo verurteilt werden, um die widerrechtliche Unabhängigkeit des Kosovo begründen zu können. (Barbara Hoheneder aus Den Haag/Andrej Ivanji aus Belgrad/DER STANDARD, Printausgabe, 27.2.2009)