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Neo-Fußballpräsident Leo Windtner (li) mit General Alfred Ludwig.

Foto: REUTERS/Robert Zolles

Wien - Der neue Präsident des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB) heißt seit Samstag offiziell Leo Windtner. Der Oberösterreicher wurde auf der außerordentlichen Bundeshauptversammlung im Wiener Hotel Intercontinental per Akklamation zum neuen Verbandschef gewählt. In seiner Antrittsrede vor den Delegierten und der anschließenden Pressekonferenz beschwor der 58-Jährige die Einheit im österreichischen Fußball und sparte nicht mit deutlicher Kritik an der Nationalmannschaft und auch an Teamchef Karel Brückner.

Eine baldige Ablöse des Tschechen scheint nach den Worten von Windtner, der mit Brückner in den kommenden Tagen eine Unterredung führen wird, durchaus möglich. "Grundsätzlich ist klargestellt, dass er das Rumänien-Match am 1. April macht. Aber ich kann dem Gespräch nicht vorgreifen", meinte der neue ÖFB-Boss, dem ein erstes Treffen mit dem Teamchef wenige Stunden vor dem Schweden-Spiel (auch Kapitän Andreas Ivanschitz nahm an dem Gespräch teil) wenig überzeugte. "Da war ich spontan überrascht von der Unsicherheit dieser beiden Leute."

"Neue emotionale Basis"

Windtner bezeichnete Brückner als "soliden Menschen und absoluten Fachmann. Er hat es sich verdient, dass man sich zusammensetzt und alle Dinge durchspricht". Während die Tage des Tschechen gezählt sein könnten, blieb auch die Mannschaft von einem präsidialen Rüffel nicht verschont. "Wir brauchen im A-Team einen mentalen und emotionalen Neustart. Wir laufen nicht mit der breiten Brust ein, die den Adler in voller Breite zeigt. Wir müssen ein Team um das Team bauen, das eine neue emotionale Basis bringt", erklärte der Oberösterreicher, der die Partie gegen die Rumänen als "Chance für den Turnaround" sieht. "Das ist sicher ein Schlüsselspiel für die nächsten eineinhalb Jahre."

"Elf Individualisten"

Deutliche Anzeichen einer Trendwende vermag Windtner ("Die Mannschaft schlägt sich derzeit deutlich unter ihrem Wert") jedoch nicht zu erkennen. Vielmehr trete das Team nicht als Einheit auf, sondern erwecke den Eindruck, als bewegten sich elf Individualisten auf dem Platz, bemängelte der Chef der Energie AG Oberösterreich. "Wenn wesentliche Elemente für das Teambuilding fehlen, muss man sich das anschauen."

Außerdem stört Windtner die Divergenz zwischen den Resultaten der A-Auswahl und der Jugend-Nationalteams. "Es ist symptomatisch, wenn das A-Team in Graz gegen Schweden sang- und klanglos untergeht und die U21 zwei Stunden vorher in Italien gewinnt."

In seiner Zeit als oberösterreichischer Landeschef und ÖFB-Vize war Windtner für den Nachwuchs-Bereich zuständig, und auch künftig will er ein Auge auf die Jugend werfen, so etwa als offizieller Chef der Challenge-08-Nachfolgeaktion "Projekt 12". "Österreich wird auch in Zukunft ein Ausbildungsland bleiben. Von dieser Schiene gehen wir nicht weg, da werden wir noch eins draufsetzen müssen."

Geschlossenheit

An die Bundesliga richtete Windtner den Wunsch nach Kooperation. "Es ist sehr wichtig, dass jene Geschlossenheit von allen an den Tag gelegt wird, die der österreichische Fußball jetzt braucht." Zwischen ÖFB und Liga gebe es viele Schnittstellen, "und da müssen wir schauen, dass wir Nähte hinbekommen. Wir sind keine Patchwork-Familie, sondern ein Gemeinschafts-Unternehmen ohne Filialen", sagte Windtner und nannte die Kooperation mit der Liga als "wesentlichen Angelpunkt".

Das Gelingen der Zusammenarbeit liegt Windtner nach eigenen Angaben ebenso am Herzen wie das Kreieren einer neuen Aufbruchsstimmung innerhalb des ÖFB. "Wenn ich mir eine Eigenschaft anmaße, dann diese, dass ich Menschen mit gleichen Idealen auf ein gemeinsames Ziel einschwören kann."

"Kein Ego-Trip"

Seine Präsidentschaft werde "kein Ego-Trip des Leo Windtner", versprach der neue Chef. "Es geht darum, alle ins Boot zu holen. Ich verstehe mich als Teamplayer und Kapitän, der versucht, alle Kräfte zu konzentrieren." Windtner forderte für den österreichischen Fußball "einen Optimismus mit Realitätsbezug" und will "alle konstruktiven Kräfte einbinden" - dabei könnte es sich auch um Ex-Teamspieler handeln, sagte Windtner, ohne konkrete Namen zu nennen.

Außerdem will Windtner den ÖFB finanziell besser aufstellen ("Sachlich richtige Maßnahmen dürfen nicht am Geld scheitern") und die Wirtschaftsperiode des Verbandes an die sportliche Periode - ein Qualifikationsturnier für ein Großereignis - anpassen. Stärken will Windtner die Rolle des Frauen-Fußballs, auch dem Thema Migration und Integration misst er große Bedeutung bei. "Für uns ist das ein zentraler Punkt, denn welcher Sport außer Fußball ist in der Lage, Menschen auf neutraler Basis zusammenzuführen?"

"Garantie für Spielwitz und absoluten Einsatz"

Für seine Präsidentschaft nannte Windtner keine konkreten sportlichen Zielvorgaben. "Es gibt keine Garantie für Ergebnisse, aber um im Fußball zu bleiben: Es gibt die Garantie für Spielwitz und absoluten Einsatz", versprach der Oberösterreicher, dessen Amtszeit bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung im Juni 2010 läuft.

Neben der von Standing Ovations begleiteten Wahl von Windtner wurde auch die Strukturreform beschlossen - allerdings gegen den Willen des niederösterreichischen Verbandes, der unter anderem aufgrund der geänderten Stimmgewichtung und des damit verbundenen Einflussverlustes dagegen votierte, wodurch die Adaptierungen offiziell mit 84,19 Prozent angenommen wurden. Weiters bekam Ex-ÖFB-Chef Friedrich Stickler die Ehrenpräsidentschaft verliehen.

In der anschließenden Präsidiumssitzung wurde festgelegt, welche Landesverbände vorläufig im neugegründeten Direktorium sitzen. Dabei handelt es sich um die Vertreter von Burgenland (Region Ost), Kärnten (Region Mitte) und Vorarlberg (Region West). Der Verbleib eines Landes-Chefs im Direktorium ist für 17 Monate anberaumt. (APA)