Der Einsatz eines Breitbandantibiotikums bei bekanntem Erreger ist kontraindiziert

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Saalfelden - Immer mehr Menschen haben Angst vor Antibiotika. Doch das ist unangebracht. Sie gehören zu den wirkungsvollsten Arzneimitteln, die täglich Leben retten. Die unerwünschten Nebeneffekte verschwinden zumeist wieder. Auf Probiotika zur angeblichen Restitution der Darmflora sollte niemand setzen. Dies erklärte am Montag bei der 42. Wissenschaftlichen Fortbildungswoche der Österreichischen Apothekerkammer in Saalfelden der Wiener Chemotherapieexperte Wolfgang Graninger.

"Wenn wir von 'Nebenwirkungen' reden, klingt das ungut. Eigentlich sollte man von 'unerwünschten Arzneimittelwirkungen' sprechen. Sie können auch auftreten, wenn man noch gar nichts genommen hat. Auch Placebos oder Homöopathika können unerwünschte Wirkungen haben", sagte Graninger, an der Universitätsklinik für Innere Medizin I der MedUni Wien am AKH der Leiter der entsprechenden Abteilung.

Sorgfältiger Umgang für hohe Behandlungserfolge

Feststellung der Notwendigkeit einer Antibiotikatherapie, Auswahl eines möglichst spezifisch auf die Keime wirkenden Arzneimittels, ausreichend hohe Dosierung und genügend lange Anwendung würden - so Graninger - zum Behandlungserfolg führen. Natürlich müsse bei manchen Substanzen bzw. Patienten-Risikogruppen Vorsicht und Kontrolle greifen, um schwere unerwünschte Konsequenzen zu vermeiden. Nur noch in Ausnahmefällen gebraucht werden sollten die Sulfonamide. Orale Cephalosporine - die werden in Österreich noch immer häufig verschrieben - wären wegen ihrer schlechten Resorption eigentlich "out". International wären bei den Antibiotika Peneme und Chinolone "die größten Resistenztreiber", stellte Graninger fest.

Der Fachmann, unter Kollegen für seine oft extrem pointierten Formulierungen in seinen Vorträgen bekannt, warnte gleichzeitig: "Kein Breitspektrum-Antibiotikum bei einem bekannten Erreger. Keine Behandlung von Keimen, die den Körper physiologischerweise besiedeln." Und wenn ein Antibiotika-Hautausschlag auftrete, sei das auch keine Tragödie. Ein anaphylaktischer Schock wäre da viel gefährlicher.

Wirkungslose Probiotika

Seit Jahren kämpft Graninger auch gegen die Probiotika-Milchprodukte, die angeblich die Darmflora nach einer Antibiotikatherapie wiederherstellen sollen: "Es ist blöd. Die Verabreichung eines solchen Keimes macht keinen Sinn. Sie können nicht die gesamte Flora von 200 bis 300 'Pflanzen' im Darm mit einem Bakterium 'aufforsten'. Das ist absolute Volksverblödung." Die könne hier nur in Produkten liegen, die eine ganze Reihe verschiedener Keime enthielten, die sich im Darm ansiedeln könnten.

Eine klassische unerwünschte Arzneimittelwirkung der Breitband-Chinolon-Antibiotika könnte laut dem Fachmann ausgerechnet zwei österreichische Bundespräsidenten mit drei solcher Verletzungen heimgesucht haben: Der Riss der Achillessehne. Graninger: "Das bekommen normalerweise nur Ärzte, die während der Dienstzeit Tennis spielen." In der Präsidentschaftskanzlei in der Wiener Hofburg würde aber jetzt wahrscheinlich eine Tafel mit folgender Aufschrift angebracht sein: "Bitte keine Chinolone an Bundespräsidenten verteilen!" Diese Antibiotika-Substanzgruppe hat bekanntermaßen schädigende Effekte auf Sehnen etc. (APA)