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Alternative zur Brille: Kontaktlinsen, die Nah- und Fernsicht
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Foto: APA/Hartlauer

Die Schrift am Handy-Display ist nicht lesbar? Das Navigationsgerät zeigt die Route schon wieder ungenau? Nicht immer liegt es am Tool, sondern mitunter auch an den Augen. Ein Besuch beim Augenarzt oder Optiker bringt Klarheit, ob man im "presbyopen Alter" angelangt ist.

"Erste Probleme tauchen bei latent Weitsichtigen schon Ende 30 auf", sagt Ernst Huber, Augenfacharzt in Stockerau. Da sich der fortschreitende Funktionsverlust der Linse nicht aufhalten lasse, sei es sinnvoll, bei ersten Symptomen den Augenarzt aufzusuchen. Aus einem einfachen Grund: "Weil die Gewöhnung an Sehhilfen leichter fällt, wenn man nur eine ganz geringe Korrektur braucht."

Bei Alterssichtigkeit verliert die Linse die Fähigkeit zur Nahakkomodation, das Umschalten von Nah- auf Weitsehen funktioniert immer schlechter. Grund dafür sind Kalkeinlagerungen in die ursprünglich flexiblen und elastischen Linsenmasse, die Anpassung der Linsenform wird immer schwieriger. Um in der Nähe scharf zu sehen, muss man den Nahpunkt immer weiter in die Ferne schieben. Bei einem zehnjährigen Kind liegt der Nahpunkt bei 7,5 Zentimetern, mit 30 schon bei 13,5, mit 45 bei 28,5, und mit 60 Jahren reichen die Arme nicht mehr aus. Die Zeitung müsste einen Meter entfernt sein, um sie lesen zu können.

Presbyopie kann durch Lesebrillen, durch Gleitsichtgläser oder auch durch Gleitsicht-Kontaktlinsen ausgeglichen werden. Die jüngste Innovation bei Multifokallinsen ist die hoch sauerstoffdurchlässige und benetzende Air Optix[TM] Aqua Multifocal, eine Entwicklung der Novartis-Tochter Ciba Vision. Sie soll besonders verträglich sein. Geschäftsführer Andreas Zürn: "Das patentierte Linsenmaterial minimiert die Austrocknung und hält die Feuchtigkeit den ganzen Tag lang in der Kontaktlinse. Es lässt bis zu fünfmal mehr Sauerstoff durch als herkömmliche weiche Kontaktlinsen." Eine spezielle Oberflächenbehandlung mache die Linse resistent gegen Ablagerungen.


Technische Innovation

Die neue Linse funktioniert nach dem Simultansystem: Über eine Lesezone in der Mitte der Silikonlinse können nahe Objekte leichter fokussiert werden, nach außen verändert sich die Wirkung schrittweise und optimiert das Sehvermögen auf mittlere Entfernungen. Die Fernsicht soll dabei nicht beeinträchtigt werden. Die Linse wird monatlich ausgetauscht.

Primäre Zielgruppe sind die "Jung-Presbyopen". Menschen, die ihre Sehschwäche nicht durch eine Brille sichtbar machen wollen oder die wegen eines anderen Sehfehlers bereits Kontaktlinsen tragen und bedingt durch die zusätzliche Alterssichtigkeit Linsen plus Lesebrille verwenden mussten. "Bei dieser Gruppe ist die Dropout-Rate besonders groß", sagt Michael Wittmann von Ciba Vision, "weil sie dann lieber gleich auf eine Gleitsichtbrille umsteigt."

Fortgeschrittenes Alter sei keine Kontraindikation für Kontaktlinsen, betont Ernst Huber. Auch bei Augentrockenheit, einem weit verbreiteten Problem älterer Menschen, würden die weichen Linsen durch die neuen Materialien gut vertragen.

Noch greifen Alterssichtige lieber zur Brille als zur Linse. Grund für die Skepsis sei weniger die befürchtete Unverträglichkeit, sagt Ernst Huber, sondern "eine gewisse Einstiegsscheu". Die gelte es zu überwinden, das Handling mit Kontaktlinsen müsse man üben. Huber: "Da gehört ein gewisses Maß an Lernwilligkeit dazu." Wie überwindet man die Barriere? "Durch bewusstes Training. Den Lidschlussreflex kann man unterdrücken. Die Muskulatur lässt sich steuern."

Den meisten Frauen, an Manipulationen am Auge durch das Augen-Make-up gewöhnt, fällt der Gebrauch von Kontaktlinsen leichter. Beim Schminken müssen sie sich aber umstellen: keine wasserfeste Wimperntusche, wegen der Mikropartikel weder pudrigen Lidschatten noch Gesichtspuder, auch keine ölige Foundation. Kajal am inneren Lidrand kann ebenfalls zu Irritationen führen.

Tränende Augen in der Eingewöhnungsphase sollten bei den neuen Linsenmaterialien nicht mehr vorkommen. Die Spontanverträglichkeit sei sehr gut, sagt Huber. Laut Hersteller liegt sie bei 86 Prozent.

Nur vier bis fünf Prozent der fehlsichtigen Österreicher tragen Kontaktlinsen. "Aber es tut sich was", beobachtet Reinhold Einwallner, Optiker in Bregenz. Bei Tageslinsen, die als sporadische Alternative zur Brille getragen werden, betrage der Anteil bereits zehn Prozent. Bei multifokalen Kontaktlinsen entwickle sich der Markt dank intensiver Entwicklungsarbeit der Hersteller "sehr stark". Einwallner: "Das Simultansystem funktioniert inzwischen super. Es bedarf keiner langen Probierphase. Schon nach wenigen Stunden ist klar, ob die Linse passt."


Sehen durch feine Schnitte

Operiert werden kann die Presbyopie bislang nicht. In Deutschland wird intensiv an Behandlungsmöglichkeiten zur Wiederherstellung der Elastizität der Augenlinse geforscht. Gelingen könnte das durch feine Laserschnitte. Das Laser Zentrum Hannover erprobt gemeinsam mit dem Laserforum Köln und der Augenklinik Bonn den Einsatz von Femtosekundenlaser (fs-Laser). Mit dem Ultrakurzpulslaser werden Mikroschnitte in die Linse gemacht. Versuche an toten Schweine- und Menschenaugen zeigen Erfolge. Das feine Schnittmuster beeinflusst die Biomechanik der verhärteten Linse, sie wird wieder elastisch. Ob und wann die Behandlungstechnik am Menschen angewandt werden kann, ist noch ungewiss. Studien zur Optimierung der Schnittmuster laufen, ebenso Untersuchungen, wie langfristige Komplikationen - etwa die Eintrübung der Linse - ausgeschlossen werden können. (Jutta Berger, DER STANDARD, Printausgabe, 09.03.2009)