Washington - Mit einem Expertengipfel im Weißen Haus hat Präsident Barack Obama jetzt die von ihm angekündigte grundlegende Reform des US-Gesundheitssystems eingeleitet. Prinzipiell findet Obama mit seiner Forderung nach einer Reform auf breite überparteiliche Unterstützung. Hinsichtlich ihrer Ausgestaltung gehen die Meinungen aber auseinander. Das wurde am Freitag nach dem Expertentreffen im Weißen Haus deutlich.

Obama stellte in seiner Ansprache zur Eröffnung der Beratungen eine Verbindung zwischen der Misere im US-Gesundheitssektor und der Wirtschaftskrise her. Die Mängel im Gesundheitssystem seien "eine der größten Bedrohungen nicht nur für das Wohlergehen der Familien und der Unternehmen, sondern für die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft insgesamt", sagte er. Die Kostenexplosion lasse die Wettbewerbsfähigkeit der USA sinken.

Das US-Gesundheitssystem ist das teuerste der Welt und gilt in weiten Teilen als ineffizient. Nur etwa die Hälfte der US-Bürger sind über den Arbeitgeber versichert; die Arbeitgeber sind nicht zur Zahlung von Beiträgen für ihre Beschäftigten verpflichtet. Diese Beiträge sind aber zu hoch, als dass Geringverdiener sie alleine bezahlen können.

Jeder Sechste blank

Fast 46 Millionen US-Bürger - also jeder sechste - haben überhaupt keine Krankenversicherung. Ihre Zahl steigt in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise täglich, weil viele Menschen mit dem Arbeitsplatz zugleich auch die Krankenversicherung verlieren. Krankheit zählt zu den Hauptgründen für privaten Ruin. Laut Umfragen wünscht die Mehrheit, dass alle Zugang zu einer Versicherung bekommen sollen.

Obama will seinen Plan bis Jahresende umsetzen; in seinem Haushaltsentwurf hat er für die kommenden zehn Jahre bereits 634 Milliarden Dollar (501 Mrd. Euro) für die Reform bereitgestellt. Bei dem Gipfel im Weißen Haus berieten Vertreter der Parteien und Experten über Kompromisspläne für die Reform. Auf die Vorlage eines fertigen Gesetzentwurfs will Obama zunächst verzichten, um nicht die Möglichkeit eines Konsensprojekts auf breiter politischer Grundlage zu behindern.

Entsprechend offen war denn auch der im Fernsehen übertragene Gesundheitsgipfel im Weißen Haus gestaltet, an dem außer Politikern und Lobbyisten Mediziner, Krankenschwestern, Patienten, Versicherte und Nicht-Versicherte teilnahmen. Republikaner wie der Abgeordnete John Boehner äußerten Kritik an der Idee eines neuen staatlichen Sozialprogramms mit unabsehbaren Kosten. Gefördert werden die Vorbehalte von Pharmaindustrie und Versicherungsbranche, die staatliche Auflagen wie etwa Preisobergrenzen fürchten.

Bei der Verwirklichung des Plans muss Obama aber auch mit Widerstand aus der eigenen Demokratischen Partei rechnen. 1993 hatte der Kongress den letzten Versuch einer Gesundheitsreform unter Präsident Bill Clinton scheitern lassen. Dass der Gesundheitsexperte von CNN, Sanjay Gupta, nach Angaben des Senders nun doch nicht Leiter der Gesundheitsdienste werden will, wirft einen Schatten auf Obamas Projekt. Und seine am Montag ernannte Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius tritt mit dem Makel an, nur zweite Wahl zu sein: Den Posten des Gesundheitsministers hatte Obama eigentlich dem früheren Senator Tom Daschle zugedacht, der dann aber wegen einer Steueraffäre verzichten musste. (APA/AFP/AP)