"Auf Wienerisch" war Claudia Schmieds Lehrervorstoß "ein Bumserer ohne Ansage", meint Johannes Hahn.

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Standard: Wie läuft's denn grad so in der rot-schwarzen Koalition?

Hahn: Es passt eh. Es ist ja nicht ungewöhnlich, dass man gelegentlich Auffassungsunterschiede hat. Jetzt werden die eben evident, aber wir werden das schon wieder hinbekommen.

Standard: Hat es Sie überrascht, dass es genau die Lehrer waren, die für den ersten großen Krach in der Koalition sorgten?

Hahn: Die Lehrer sind immer eine der Möglichkeiten.

Standard: Mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als andere Gruppen?

Hahn: Es gibt verschiedene Gruppen in der Bevölkerung, die immer sehr sensibel reagieren. Auch weil die Öffentlichkeit sehr sensibel auf sie schaut.

Standard: Und stellen Sie sich innerlich bereits darauf ein, dass Ihnen Ihr bildungspolitischer roter "Zwilling" in der Regierung, Unterrichtsministerin Claudia Schmied, durch Rücktritt abhanden kommt?

Hahn: Ich habe am gegenüberliegenden Gang des Ministeriums noch niemanden gesehen, der Kisten packt.

Standard: Was sagen Sie denn zu Schmieds Rücktrittsdrohung? Sie sagt, entweder mehr Geld von Finanzminister Josef Pröll oder aber Rückhalt für Strukturmaßnahmen wie eine höhere Lehrverpflichtung.

Hahn: Mit Drohungen soll man vorsichtig umgehen, sonst verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit. Drohungen, Veto, Streik - der Zukunft der Ausbildung unserer Kinder ist mit all dem nicht gedient. So wie viele Bildungsfachleute vermisse auch ich in der Diskussion ein umfassendes Reformkonzept. Da ist die Bildungsministerin gefordert. Zu einem solchen Dialog über Inhalt und Qualität sind sicher auch die Lehrerinnen und Lehrer bereit. Und auch als Wissenschaftsminister würde ich mich lieber an einer solchen Zukunftsdebatte beteiligen. Es sind ja die Universitäten, die es zu spüren bekommen, wenn der Bildungsweg davor holpert.

Standard: Die ÖVP hat sich nicht unerwartet auf die Seite der mehrheitlich schwarzen Lehrergewerkschaft geschlagen. Haben Sie Verständnis für die Proteste der Pädagogen gegen die geplante Erhöhung der Unterrichtspflicht um zwei Schulstunden pro Woche?

Hahn: Was definitiv nicht richtig ist, die Lehrer über die Medien zu informieren. Auf Wienerisch würde man sagen: ein Bumserer ohne Ansage. Daher verstehe ich die Aufregung.

Standard: Wie stehen Sie inhaltlich zu der Maßnahme für einen relativ sicheren Job in einer unsicheren Wirtschaftslage?

Hahn: Ich kann die Motivlage der Ministerin, die Notwendigkeit, diese Forderung zu erheben, nicht genau erkennen. Ich weiß nicht wirklich, was die Reformabsichten, die Weiterentwicklungsabsichten im umfassenden Sinn im Bildungsbereich sind. Die zwei Stunden sind offensichtlich ein Puzzlestein. Ich sehe das Gesamtbild nicht.

Standard: Hegen Sie auch den Verdacht, den die Lehrergewerkschaft massiv äußert, dass die Bildungsministerin die Neue Mittelschule, die ja auch Prestigeobjekt ist, durch diese Maßnahme finanzieren möchte?

Hahn: Das habe ich mir auch gedacht. Die Ministerin hat mir aber gesagt, die Beträge dafür sind so gering und stehen in keiner Relation zu den Mitteln, die sie sonst braucht und angeblich durch die zwei Mehrstunden erlösen kann. Ob das so ist, kann ich nicht beurteilen. Ich bin dafür, dass wir über eine umfassende Weiterentwicklung des Bildungssystems reden. Diskutieren wir alle Notwendigkeiten. Angefangen von den Schnittstellen zwischen den Bildungsstufen bis zur Frage: Was ist heute eine zeitgemäße Allgemeinbildung? Darüber würde ich viel lieber reden als über zwei Unterrichtsstunden mehr für Lehrer.

Standard: Am Sonntag ist Internationaler Frauentag - wir haben 54 Prozent Studentinnen, aber nur 15,8 Prozent Professorinnen, und nach Ingela Bruners Abgang als Rektorin der Uni für Bodenkultur ist Rektorsein wieder eine Männersache. Das sieht sehr nach Systemdefekt aus. Warum geht nichts weiter?

Hahn: Gleichberechtigung haben wir, aber wir haben keine gleichmäßige Verteilung der Potenziale. Ingela Bruner hat eine gläserne Decke durchbrochen, die durchbrochen bleibt. Wenn man sich den Anteil bei den Vizerektoren anschaut, haben wir 30 Prozent Vizerektorinnen, das Potenzial ist also da. Und in den letzten Jahren ist bei den Habilitierungen und Berufungen einiges weitergegangen. Wenn ich es von den Prozentzahlen sähe, könnte ich mich zufrieden zurücklehnen. Ich neige in dem Fall aber dazu, es in absoluten Zahlen zu sehen, und da würde ich mir mehr wünschen. In Summe haben wir eine Fülle von Förderprogrammen, die auch einiges bewirkt haben, man muss sich das aber auch selbstkritisch ansehen, ob alle Programme hinreichend effektiv waren. Ich erwarte mir am meisten, von der in der Uni-Gesetz-Novelle vorgesehenen 40-prozentigen Frauen-Quote in Uni-Gremien.

Standard: Was erwarten Sie von der Frauenquote an konkreten Auswirkungen?

Hahn: Es wird keine Frau verpflichtet werden, in Gremien zu arbeiten. Wenn die Frauen sagen, sie können nicht, weil sie Wissenschafterinnen sein wollen, dann wird nicht justament ein Gremium besetzt. Aber es ist jetzt ein umgekehrter Weg. Die Frauen müssen von sich aus sagen, sie wollen nicht. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD Printausgabe, 7./8. März 2009)