Paris muss es billiger geben

"Formule crise" steht auf der Tafel, darunter der Preis für Tagesteller plus Dessert: 3,90 Euro. Dieses Angebot macht Christopher Guesnon einmal in der Woche in seinem "La Cabane" in Saint-Malo. Nicht alle Wirte hier goutieren Guesnons Krisenoperation, die ihm kaum Profit, aber viel Mundpropaganda einbringt.

Ein Blick in die Restaurants genügt, um festzustellen: Die Franzosen gehen weniger oft auswärts essen als im vergangenen Jahr. In Paris, wo die Preise von jeher höher liegen als in der Provinz, zieht die Branche nur langsam nach. Viele Restaurants bleiben weiterhin fast extrem teuer. Aber wer etwas sucht, findet auch hier Menü-Schnäppchen. Das "Café du Commerce" im Trendquartier Butte aux Cailles senkte sein Dreigängemenu zum Beispiel vor 20 Uhr von 18 auf 12 Euro.

"La Cantoche" in der Rue Montmartre bietet Rabatte von bis zu 30 Prozent. Den Espresso gibt es jetzt für 1,65 Euro (statt 2,20), die Karaffe Wein für 8 Euro (statt 11), den Tagesteller für 12 Euro (statt 14). Die bekannte "Chope du Château Rouge" auf dem Montmartre-Hügel verteilt freitags und samstags ohne Aufschlag einen Teller Couscous, wenn man ein Getränk bestellt. Die Aktion hat so viel Erfolg, dass sich die Leute am Eingang und an den Tischen drängeln. Für den Wirt rechnet sich's, und die Gäste freuen sich, mit anderen Kunden beim Essen Bekanntschaft zu schließen. Womit erwiesen ist, dass man sich in der Krise auch näherkommen kann. (Stefan Brändle aus Paris)

Bestellpizza statt Restaurantbesuch

So kann man es auch machen: Im Restaurant "Oriental Aroma" im südenglischen Wooton Bassett ist das Essen dieser Tage umsonst. Beim Abschied drückt Besitzer James Huynh den Gästen sogar noch ein Pfundstück in die Hand. Die Aktion ist teuer, dafür ist sein Haus immer voll. "Wir verlieren kurzfristig", sagt Huynh, "aber langfristig lohnt es sich. Die Gäste schätzen, was wir für sie tun."

So weit mag nicht jeder gehen, obwohl die Restaurantszene im Königreich tief in der Krise steckt. Vergangenes Jahr machte ein sattes Drittel mehr Restaurants bankrott als 2007. Dieses Jahr soll es noch wesentlich schlimmer kommen.

Längst bleiben auch Starköche von der Krise nicht verschont: TV-Chef Antony Worrall Thompson musste zwei Drittel seines Restaurant-Imperiums schließen. Vom zigfachen Sternekoch Gordon Ramsay hört man, dass er Probleme mit seinem Überziehungskredit habe. Jungstar Tom Aikens, noch ein Sternekoch, ist pleite und lässt die Lieferanten auf einer Million Pfund Schulden sitzen.

Die Briten essen jetzt lieber zu Hause. So darf sich die Pizzakette "Domino's" über rasante Zuwächse freuen - 52 neue Filialen im letzten, bis zu 50 weitere in diesem Jahr. Auch Kentucky Fried Chicken profitiert von der Rezession. 9000 neue Jobs sollen geschaffen werden, um der Nachfrage nachzukommen. (Jochen Wittmann aus London)

Viel auf dem Teller, von Krise keine Spur

Die Piemontesen haben (ganz wie die Österreicher) einen leicht anachronistischen Hang zu großen Portionen frittierten Fleischs. Auch hier möchte man ordentlich etwas auf dem Teller haben für sein Geld. Darum gibt es kaum eine Trattoria in Turin, die im Winter nicht regelmäßig Fritto misto alla piemontese anbietet, bei dem man - im Gegensatz zum maritimen Pendant - nicht Fisch und Meeresfrüchte, sondern Fleisch, Innereien und Wintergemüse frittiert. Serviert wird in einer abschreckend langen Speisefolge von bis zu 30 Gängen. Um die 35 Euro kostet so ein Endlos-Menü - Wein oft inbegriffen.

Bei solchen Preisen ist es kein Wunder, dass es auch in Krisenzeiten schwer ist, einen Platz zu bekommen. Überhaupt wird in Turin eine andere Preispolitik betrieben als etwa im nahen Mailand. Eine Pizza Margarita oder ein Primo - also ein sättigendes Teiggericht - sind üblicherweise um vier bis fünf Euro erhältlich. Damit werden Osterien und Pizzerien nach wie vor problemlos gefüllt. Was Mailänder wie Turiner Restaurantbesitzer allerdings zu schaffen macht, sind die seit einigen Jahren in Mode gekommenen Aperitivi con buffet: Am frühen Abend kann man sich in zahlreichen Bars für den Preis eines Getränkes so viele kalte und warme Speisen auf sein Plastiktellerchen legen, wie man will. Das wird vor allem von Studenten gerne für eine ausgiebige Mahlzeit genutzt und kostet den Restaurants Gäste. (Georg Desrues aus Turin)

Fastfood boomt, Gourmettempel leer

"Irashaimase!" schallt Gästen in der Yoshinoya-Filiale am Rande der Glitzermeile Ginza das "Herzlich willkommen" der Kellner entgegen. Von Krise keine Spur, der Andrang bei der Fast-foodkette ist noch stärker als sonst. Seit dem Übergreifen der Krise auf Japan ist Yoshinoyas Umsatz gestiegen.

Je enger die Japaner ihre Gürtel schnallen, desto weniger goutieren sie die vom Guide Michelin mit den meisten Sternen weltweit ausgezeichnete Spitzengastronomie Tokios. Während der Umsatz von Luxusrestaurants im Jänner im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent geschrumpft ist, verzeichnen Fastfoodketten Zuwächse. Verständlich, wenn selbst die Regierung vor Massenarbeitslosigkeit und der schlimmsten Rezession der Nachkriegsgeschichte warnt. Knapp drei Euro kostet Yoshinoyas Hausgericht, eine mit Rindfleisch belegte Schale Reis.

Am härtesten getroffen wurden die teuren Lokale auf der Ginza, in denen die Managerklasse sich mit Bier, Wein, Whiskey und Hostessen unterhielt. 200 Etablissements haben laut Insidern vergangenen Monat geschlossen, so viele wie in keiner Krise zuvor. Nicht umsonst heißt das Gastronomiegewerbe im Volksmund "mizushobai" - Wassergeschäft. Wie gewonnen, so zerronnen.

"So etwas habe ich noch nicht erlebt," erklärt ein langgedienter Manager eines Chemiekonzerns, "unser Unterhaltungsbudget ist radikal zusammengestrichen worden." (Martin Koelling aus Tokio, DER STANDARD, Printausgabe, 7./8.3.2009)