Schauen wir nach vorn. Gewöhnlich hilft es, zu wissen, wohin die Reise geht. Wir haben in den vergangenen Tagen den Weltfrauentag herankommen gesehen, und schon war es geschehen. Wir haben aus Aristide Bruant eine Frau gemacht.

Jemand muss sich die umfänglich berichtete Schlechterstellung der Frauen in der Gesellschaft sehr zu Herzen genommen haben. So sehr, dass nur an Frauen zu denken war, wenn vom Elend die Rede ist. Henri de Toulouse-Lautrec hatte „so ganz nebenbei Porträts der Göttinnen des Pariser Nachtlebens angelegt, die – ganz weit weg vom oberflächlichen Formwillen der Salons – bis heute schlicht die Wahrheit über Glanz und Elend der Damen Aristide Bruant, Jane Avril, Yvette Guilbert oder Loie Fuller erzählen“, stand am vergangenen Dienstag in der Besprechung einer Ausstellung der Oberösterreichischen Landesgalerie zu lesen. Es ist richtig, dass Toulouse-Lautrec häufig Frauen gemalt hat, Aristide Bruant ist jedoch der Mann mit großem Hut, schwarzem Mantel und rotem Schal, den man von den Bildern des Malers ganz gut kennt. Bruant war um 1900 Kabarettist, Sänger und Nachtklubbesitzer in Paris.

Wenn der klare Blick getrübt ist, führt das zu fragwürdigen Ergebnissen. Das haben wir am Tag darauf in einem Artikel festgehalten, in dem es um den zweiten Prozess ging, in dem der ehemalige Yukos-Chef Michail Chodorchowski angeklagt ist. Dem Mann drohen weitere 22,5 Jahre Haft, „und das, obwohl die Vorwürfe in den Augen der Verteidiger und vieler Beobachter absurd klingen“. Wer Ohren hat zu hören, der höre: Wir haben es mit einer eigenwilligen Adaption eines Matthäus-Wortes zu tun. Von der sprachlichen Krise zur wirtschaftlichen. Der Umgang mit jener war Thema auch des Leitartikels am Freitag der Vorwoche. Wir wollen keine Kultur des „Hire and fire“ stand darin zu lesen, und als Begründung wurde angeführt: „Somit ist es sinnvoll, im konjunkturellen Abschwung nicht gleich aus Auftragsmangel die Leute vor die Tür zu setzen, um dann im Abschwung Facharbeitermangel zu beklagen.“ Wenn man derart mit dem Abschwung beschäftigt ist, kann man sich offenbar gar nicht mehr vorstellen, dass es auch einen Aufschwung geben kann.

Gegen ein derartiges Krisenmanagement ist zu protestieren, und wir geben solcher Kritik auch gerne Raum, wenn auch nicht immer mit den richtigen Worten. Als in der Vorwoche die Schließungspläne der Post bestätigt wurden, fingen wir Reaktionen aus den Bundesländern ein. Auf Seite 20 liest sich das so: „Scharf viel auch die Reaktion des steirischen Landeshauptmannes Voves aus.“ Es sind tatsächlich viele Postämter, die gesperrt werden sollen, aber Voves fiele es gewiss im Traum nicht ein, das in solchem Deutsch auszudrücken. (Otto Ranftl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.3.2009)