Belgrad - Der seit Jahren meist gesuchte Angeklagte des UNO-Kriegsverbrechertribunals, der ehemalige Militärchef der bosnischen Serben Ratko Mladic, dürfte sich in Belgrad verstecken, seine Wohnung seit Jahren nicht mehr verlassen haben und nur noch mit einer Person, die ihn mit Nahrung und Medikamenten versorgt, Kontakt unterhalten. Das berichtete zumindest das Belgrader Boulevardblatt "Press" am Montag unter Bezug auf "zuverlässige Informationen", die der serbische Nachrichtendienst von Personen bekommen habe, die früher dem Haager Angeklagten nahe gestanden seien.

"Er hat jeden Kontakt mit der Außenwelt eingestellt. Er unterhält keine Kommunikation mit der Familie und den Freunden. Es gibt nur eine Person, die weiß, wo sich Mladic versteckt, und die ihn periodisch - jeden siebenten oder zehnten Tag - mit Nahrung und unerlässlichen Medikamenten versorgt", wurde die Zeitungsquelle zitiert. Laut derselben Quelle könnte das moderne Wohnviertel Neu-Belgrad mit seinen Wohnsilos zur Zeit womöglich als "günstigster" Versteckort Europas gesehen werden. Auch seien die Neu-Belgrader Wohnblöcke ein echter urbaner Dschungel, in dem man jahrelang unbemerkt bleiben könne.

Die Annahme, dass sich Mladic in Neu-Belgrad verstecken dürfte, liegt wohl auch auch in der Tatsache, dass auch der im Vorjahr festgenommene ehemalige Präsident der Republika Srpska, Radovan Karadzic, jahrelang genau in diesem Belgrader Stadtviertel residierte. Zudem hatte sich Mladic laut früheren Erkenntnissen der Fahnder tatsächlich bis Anfang 2006 in Neu-Belgrad versteckt.

Systematische Durchsuchung nicht möglich

Eine systematische Durchsuchung jedes Wohnsilos oder ganzer Stadtviertel wäre nach Angaben der Zeitungsquelle aber praktisch nicht durchführbar. Man geht dabei wohl auch davon aus, dass die Festnahme Mladic' nicht so problemlos wie jene Karadzic' im Vorjahr verlaufen dürfte. Der ehemalige Präsident der Republika Srpska wurde nach mehrwöchiger Observierung im Juli in einem städtischen Bus festgenommen. Karadzic leistete keinen Widerstand. Psychologen, die die Persönlichkeit des Kriegskommandanten der bosnischen Serben, Mladic, analysiert haben, sind der Ansicht, dass dies bei Mladic nicht der Fall sein würde. Sie seien zu 80 Prozent sicher, dass er Widerstand leisten werde, berichtete "Press".

Der serbische Arbeitsminister Rasim Ljajic, der in der Regierung für die Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal zuständig ist, versicherte gegenüber dem Belgrader Boulevardblatt heute, Montag, dass man gar keine Information über das mögliche Versteck Mladic' habe. "Würden wir es kennen, wäre Mladic bereits festgenommen worden", unterstrich der Minister. Ljajic ist dennoch weiterhin überzeugt, dass der Haager Angeklagte im Laufe des Jahres festgenommen und an das UNO-Tribunal überstellt werde. Sein Optimismus stützt sich gemäß eigenen Behauptungen auf die seit der Regierungsbildung im Vorjahr laufende koordinierte Kooperation der Nachrichtendienste und der Polizei im Fall Mladic.

Der ehemalige Militärchef der bosnischen Serben war 1995 wegen Genozids in der muslimischen Enklave Srebrenica und anderer Kriegsverbrechen angeklagt worden. (APA)