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Wien - Für "Ein Augenblick Zeit" hat am Wiener Südbahnhof das Stündlein geschlagen: Seit 1994 hing die gleichnamige Computerinstallation von Hofstetter Kurt in dem Verkehrsbauwerk. Zwei Augen auf Monitoren standen sich dabei Auge in Auge gegenüber in zwei 750 Kilogramm schweren Stahlkugeln. Am Montag wurde das Kunstwerk abgehängt. Rechtzeitig vor dem Beginn der Abrissarbeiten im Dezember wurde die Installation Peter Weibel für sein Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie übergeben.

Männliches und weibliches Auge

Das männliche und weibliche Auge hingen bis dato zur Seite der zu den Bahnsteigen führenden Rollbahn und blickten dabei sich und die Reisenden an. Zusätzlich wurde per Funk in die Pupillen die aktuelle Zeit und das Datum übertragen, das mit jedem Augenaufschlag aus der Pupille des einen in die des anderen geschleudert wurde. "Für mich sind die Pupillen so etwas wie die schwarzen Löcher der Zeit", meint der Künstler. 75 Millionen Lidschläge haben die beiden Augen, die Hofstetter Kurt von einem befreundeten Paar abfilmte, seit 1994 absolviert - unterlegt mit dem Ticken eines russischen Weckers.

Freundschaftliches Verhältnis

Laut Weibel markierten die Augen den Beginn des Regimes des Sehens, an dessen Ende die Kamera jeden Lebensbereich durchdrungen hat. Allerdings seien die Südbahnhof-Augen immer freundlich gestimmt gewesen: "Ich beobachte Dich, aber ich bin Dein Freund." Dies sei besonders für Menschen an einem Bahnhof von Bedeutung, zumal hier viele Gescheiterte seien, die das An- oder das Abreisen nicht geschafft hätten.

Hoffnungen auf Rückkehr

Diese müssen nun bis Dezember, wenn im Zuge der Errichtung des neuen Hauptbahnhofs mit dem Abriss der aus den 1950er Jahren stammenden Halle begonnen wird, ohne die Augen auskommen. "Ich denke aber, der Abschied wird nur ein vorrübergehender sein", machte Claus Stadler, Geschäftsführer der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH, Hoffnung auf eine Rückkehr in das neue Bauwerk ab 2013.

Einmal im Exil

Museumsdirektor Weibel setzt hingegen darauf, dass die ÖBB ein Auge zudrücken. "Ich hoffe sehr, dass man der österreichischen Tradition treubleibt: Was einmal im Exil ist, bleibt im Exil", so Weibel. In Karlsruhe sollen jedenfalls die beiden Monitore ab April in der Eingangshalle schweben, gesichert durch Stahlseile, die einen Augenaufschlag am Boden verhindern sollen. Dabei werden sie den Besuchern jedoch nicht mehr auf Augenhöhe begegnen, wie am Südbahnhof, sondern dank baulicher Gegebenheiten auf sie herabblicken.

Wiener Bahnreisenden bleibt dann nur mehr ein zweites Werk von Hofstetter Kurt. Im Bahnhof Wien-Mitte hängt nach wie vor das Werk "Planet der Pendler mit den 3 Zeitmonden". (APA)