Porzellan: Das lebensgroße Reiherpaar (es wurde für den Porzellan-Zoo August des Starken 1730 modelliert) - wechselte 2005 für 5,6 Millionen Euro den Besitzer.

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Den Scherbenhaufen vor Augen schrammt die Branche der europäischen Porzellanhersteller seit Jahren an einer Krise vorbei. Die Absatzzahlen schrumpfen mit jeder Bilanz, den Billigimporten aus China, so tönten Vertreter der deutschen Industrie jüngst, sei nicht einfach beizukommen. Zeitgemäßes Design und Investitionen in modernen Produktionsanlagen sollen das Schlimmste verhindern. Das gelingt nicht immer.

Anfang des Jahres erwischte es mit Waterford Wedgwood den wohl berühmtesten irisch-englischen Glas- und Porzellanhersteller. Große Teile des insolventen Unternehmens wurden Anfang März nun vom US-Finanzinvestor KPS Capital Partners übernommen, nicht aber die deutsche Tochtergesellschaft Rosenthal, an der Waterford Wedgwood einen Anteil von 90 Prozent hält. Das im deutschen Selb angesiedelte Traditionsunternehmen ist nun auf der Suche nach einem Käufer und hofft auf den italienischen Besteck- und Kochtopfhersteller Sambonet Paderno.

Auch in Wien ist die Situation nicht gerade vielversprechend: Im Sommer 2003 hatte die Porzellanmanufaktur Augarten Konkurs angemeldet und wurde von Erhard Grossnigg übernommen. Sein ursprüngliches Ziel, Augarten in die Gewinnzone zu bringen, schlug bislang fehl. Mitte Jänner verlautbarte man ab sofort nur mehr auf Auftrag zu produzieren, wohl eine Art Notbetrieb zur Erhaltung des Produktionsstandortes.

So bitter die Schließungen solcher Traditionsbetriebe sind, der Kunstmarkt bleibt davon völlig unberührt: einerseits, weil aus der Sicht von Kunsthistorikern die Produktion damit endgültig abgeschlossen ist und damit nur mehr eine eingeschränkte Zahl von Artifiziellem gut verfügbar ist, der Wert deshalb nur mehr steigen kann.

Europa führt

Andererseits wird auf dem Kunstmarkt hauptsächlich mit Porzellanen aus historischen Produktionsphasen bzw. aus der Gründungszeit dieser Branche gehandelt. Europa ist dabei in mehrerlei Hinsicht führend, sowohl die herausragende Qualität der Porzellane betreffend als auch in der Sammlertradition. Erst in den vergangenen beiden Jahrzehnten begann man sich dafür auch in den USA, im Mittleren Osten, in Russland, Japan oder Australien zu interessieren.

Zu den derzeit beliebtesten Epochen zählen laut Rodney Woolley, Leiter des verantwortlichen Departments bei Christie's in London, "Barock, Rokoko und Neoklassizismus der Manufakturen Meissen, Nymphenburg und vor allem Du Paquier - beim späten 18. Jahrhundert und frühen 19. Jahrhundert sind Porzellane der Königlichen Manufaktur Berlin und natürlich aus Wien wegen ihrer Qualität und ihrem Stil besonders gefragt". Als Richtwert: 2005 versteigerte das Dorotheum in Wien Teile der legendären Sammlung Lill, darunter etwa einen kleinen Leuchter mit Musikanten, der für 36.600 Euro den Besitzer wechselte. Den Rekord für Du Paquier hält Christie's, mit 350.000 Euro, die eine Sammlerin für einen 1725 ausgeführten Krug bewilligte.

Aus der Zeit des Biedermeiers sind aus der Wiener Produktion vor allem Sammeltassen gefragt, sie eignen sich für den Einstieg in dieses Sammelsegment mit Preisen von 1600 bis 6000 Euro besonders und erfreuen das Auge mit bunten Farben und feinster Malerei. Zu den Besonderheiten dieser Epoche gehören auch gemäldeartige Porzellane, etwa in Form eines Tabletts von Joseph Nigg von 1807, das im Dorotheum stolze 84.300 Euro brachte.

Gemessen am Weltrekord für ein Porzellanensemble aus europäischer Produktion fällt das allerdings in die Kategorie Schnäppchen: Im Juni 2005 stiegen die Gebote für ein Paar lebensgroßer Reiher - 1730 vom Meissener Meistermodelleur J. J. Kändler für den Porzellanzoo August des Starken ausgeführt - auf unglaubliche 5,61 Millionen Euro.

Es ist kein einfaches Sammelgebiet, bestätigt auch Elisabeth Sturm-Bednarcyk, in Wien ansässige Spezialistin mit internationalem Kundenstock. Und es sei, so ihre Erfahrung, meist eine Liebe auf den zweiten Blick: "Zuerst werden Teppiche, Möbel, Bilder oder Silber gekauft, erst später Porzellan." Nach einer eingehenden Kennenlernphase - mit entsprechender Literatur und Museumsbesuchen - kommt dann die Leidenschaft. In 99 Prozent der Fälle dauert diese dann ein Sammlerleben lang. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 10.3.2009)