Paris - Die Vereinigung von Elsass und Lothringen ist nur eine von mehreren Ideen, die in Paris von der Balladur-Kommission diskutiert wurden. Die anderen Vorschläge sind ähnlich umstritten.

Nur zwei stoßen auf Anklang: Obere und Untere Normandie sollen verschmolzen und die Hafenstadt Nantes der Bretagne zugeschlagen werden. Damit werden aber nur frühere Fehlkonstruktionen korrigiert. Ansonsten hagelt es Proteste. Erbost sind vor allem kleinere Regionen wie die Picardie (nördlich von Paris) oder Poitou-Charentes (die politische Hochburg der Sozialistin Ségolène Royal am Atlantik), die schlicht von der regionalen Landkarte verschwinden sollen.

Kritisiert wird generell die zentralstaatliche Manier der Balladur-Kommission, über die Köpfe der Provinz hinweg zu beraten und Frankreich auf dem Reißbrett neu zu zeichnen. Wenn man schon weniger zahlreiche und dafür große Regionen schaffe, müssten diese die nötigen Kompetenzen erhalten, moniert der lothringische Regionalrats-Präsident Jean-Pierre Masseret. Doch der Zentralstaat sei nicht bereit, wirklich Kompetenzen an die Regionen abzutreten.

Vernunft gegen Geschichte

Als Rationalist in der Tradition von Descartes schlägt Balladur die Jura-Gegend Franche-Comté zum Beispiel dem Burgund zu, obwohl das zwei historisch gewachsene Regionen sind. Die gebirgige Berg- und Bauerngegend Auvergne will er in der heute schon künstlichen Verwaltungsregion Rhône-Alpes (mit der Metropole Lyon) aufgehen lassen.

Jede französische Territorialreform versucht sich zudem am Wasserkopf Paris, wo heute mit zehn Millionen Einwohnern ein Sechstel aller Franzosen leben. Balladur schlägt vor, drei Départements des inneren Banlieue-Gürtels (Hauts-de-Seine, Seine-Saint-Denis, Val-de-Marne) mit der historischen Innenstadt zu einem "Grand Paris" zu vereinen. Die äußeren, weniger wohlhabenden Vororte-Départements lässt er aber draußen, was ökonomisch wenig Sinn macht. Eher dürfte politisches Kalkül dahinterstecken. Der sozialistische Bürgermeister von Paris, Bertrand Delanoë, wirft Sarkozy jedenfalls vor, er wolle mit Hilfe der reichen Vororte die Rechte wie zu Zeiten Jacques Chiracs ins Pariser Rathaus zurückbringen.

Angesichts der Proteste aus allen politischen Lagern und Parteien schaltete Sarkozy inzwischen schon bei der Annahme des Berichtes einen Gang zurück. Er beauftragte die Regierung zwar wie erwartet mit der Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfes, nannte aber keinen Termin für eine Parlamentsdebatte. Wenn er abwarten will, bis die Zeit für seine Gebietsreform reif ist, wird er aber noch viel Geduld haben müssen. (brä/DER STANDARD, Printausgabe, 10.03.2009)