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Die aktuelle Situation des Sportunterrichts in Österreich weicht immer stärker von den Empfehlungen der Experten ab

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Radfahren wird in der ersten Ergometerklasse Österreichs in den Unterricht integriert

Foto: Martin Jorde

Acht Schüler treten in die Pedale ihrer Ergometer während deren Mitschüler wie gewohnt an Schreibtischen dem Unterricht folgen. Ein ungewöhnliches Bild? Nicht im Gymnasium Ödenburgerstraße in Wien, wo die erste Ergometerklasse Österreichs entstand. Der Schlüssel zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention ist ein gesunder Lebensstil, zu dem nicht nur gesunde Ernährung, sondern besonders auch Bewegung gehört - das ist den Schülern dieser Klasse klar.

Der Bedarf an gesundheitsfördernden Maßnahmen in Schulen ist gegeben: Bereits ein Viertel der Kinder in Österreich ist übergewichtig, physische Beschwerden durch Bewegungsmangel nehmen zu. Befragungen ergaben, dass bereits sechzig Prozent der 10 bis 14-Jährigen unter Rückenbeschwerden leiden.


Weniger Sport in der Schule

Im Rahmen ihrer Erziehung bekommen Jugendliche von Eltern und Schule den Stellenwert von Sport vermittelt. "Das Bewegungsverhalten der jugendlichen Schüler ist dem der Eltern meist sehr ähnlich", erklärt der Sportpädagoge Hannes Pratscher. In dieser Hinsicht seien aber nicht nur Eltern, sondern auch die Schulen gefordert.

Wirft man einen Blick auf die aktuelle Situation des Sportunterrichts in Österreich, weicht diese immer stärker von den Empfehlungen der Experten ab. Die körperliche Fitness von Hauptschülern und Unterstufenschülern der AHS wäre "unbefriedigend, besorgniserregend, sehr bestürzend sowie geradezu schockierend", so Studienergebnisse der Universität Salzburg. Auch der Rechnungshof stellte Österreichs Schulsport im August 2008 kein gutes Zeugnis aus, größter Kritikpunkt waren die Stundenkürzungen. In fast allen Bundesländern kam es seit 2001/02 zu einer Turnstunden-Reduktionen von bis zu fünf Prozent.

Die Turnstunde entfällt

Derzeit sind in der Volksschule zwei bis drei Stunden für Sport und Bewegung vorgesehen, in der Unterstufe sind es drei bis vier Stunden. "Gerade bei Volks- und Unterstufenschülern mit natürlichem Bewegungsdrang ist Sport ein ideales Instrument, um Unruhe und Energie abzubauen", sagt Pratscher. Die Wichtigkeit des Sportunterrichts geht jedoch häufig unter und die Realität sieht oft anders aus, als der Lehrplan vorgibt. Aufgrund knapper Turnsaalkapazitäten werden Schüler häufig in externe Sportstätten ausgelagert: Schwimmbad, Eislaufplatz und Tennishalle werden zu alternativen Orten der Sportausübung. Nicht selten entfallen Sportstunden zur Gänze, da sie nur von fachlich geeigneten Lehrpersonen suppliert werden dürfen und daher der Anteil der Entfallstunden größer ist, als in anderen Gegenständen. Leichtfertig geschriebene Entschuldigungen der Eltern tun ihr Übriges, um den Stellenwert des Turnunterrichts zu unterwandern.

Ab in den Sportverein

Von Überlegungen, den Turnunterricht überhaupt den Sportvereinen zu überlassen hält Pratscher nichts: "Jene Zielgruppen, die Sport am allermeisten benötigen, gehen nicht zu einem freiwilligen Turnunterricht." Eine Entwicklung Richtung täglicher Turnstunde wäre für den Sportpädagogen hingegen ein Schritt in die richtige Richtung. Eine Erhöhung der Turnstundenanzahl würde auch der Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) befürworten, dies alleine greife jedoch zu kurz: "Viel wichtiger als das Stundenausmaß des Turnunterrichts ist, was darin vermittelt wird", sagt Christoph Hörhan, Leiter des FGÖ im Gespräch mit derStandard.at. "Man muss vom Leistungsgedanken wegkommen und Freude am Sport vermitteln." Dadurch sei es leichter, Schüler zu motivieren auch außerhalb der Schule sportlich tätig zu werden, sagt Hörhan.


Schritt für Schritt Bewusstsein schaffen

Wie wichtig Bewegung ab dem Kindheitsalter ist, betonen Schulen und Organisationen durch gesundheitsfördernde Initiativen und Projekte zunehmend. Eines dieser Projekte ist die Ergometerklasse des Gymnasiums Ödenburgerstraße in Wien. Bereits das zweite Jahr verbringen die 11-jährigen Schüler täglich eine Stunde während des Unterrichts auf einem der acht Fahrradergometer. Projektleiter Martin Jorde wollte auf diesem Weg Bewegung und Lernen verbinden und nicht nur die Fitness der Schüler, sondern auch deren schulischen Lernerfolg steigern. "In dieser Klasse hat sich ein unheimliches Sportbewusstsein gebildet, im letzen Schuljahr sind die Schüler rund 19.000 Kilometer geradelt, das wäre die Strecke Wien - Neuseeland", erzählt der Sportpädagoge stolz.

Ziel dieser wissenschaftlichen Studie in Zusammenarbeit mit der Universität Wien sei der Nachweis, dass während der Bewegung im Unterricht die metabolischen Werte (Blut, Herz, Atmung, Gewicht) verbessert sowie Konzentration und Aufmerksamkeit gesteigert werden können. Die regelmäßige Bewegung im Unterricht solle sich positiv auf den Lernerfolg auswirken. Anklang hat die Idee der Ergometerklasse jedenfalls gefunden. Seit Beginn dieses Projektes gibt es in Österreich bereits mindestens zwölf Ergometerkassen, Tendenz steigend.

Gesundheitsfördernden Projekte - ob freiwillige tägliche Turnstunde, Ergometerklasse oder Workshops - schaffen bei Schülern, Eltern und Lehrern Bewusstsein für die Wichtigkeit von Bewegung und leisten auf unterschiedlichen Wegen einen Beitrag für mehr Gesundheit im Lebensraum Schule. (Ursula Schersch, derStandard.at, 12.03.2009)