Im Verhältnis der USA zu Kuba, das seit fast fünfzig Jahren in Feindseligkeit erstarrt ist, könnte es im April zum Anfang einer Entspannung kommen. Beim Gipfeltreffen der nord- und lateinamerikanischen Staaten, das am 17. April in Trinidad beginnt, wird von der US-Regierung ein Dialog-angebot an Kubas Präsident Raúl Castro erwartet. Barack Obama hatte schon als Wahlkämpfer in Florida, wo viele Exilkubaner leben, eine neue, pragmatischere Haltung gegenüber der 140 Kilometer entfernt gelegenen Insel angekündigt.

Inzwischen bezeichnete auch der einflussreiche republikanische Senator Richard Lugar das vor 47 Jahren erlassene Wirtschaftsembargo als unwirksam und kontraproduktiv. Ein Gesetz, das Erleichterungen für Besuchsreisen und Geldüberweisungen von Verwandten nach Kuba enthält, hat bereits das Repräsentantenhaus passiert und sollte, trotz einiger Widerstände, auch vom Senat genehmigt werden.

In diese Entwicklung platzte vorige Woche Raúl Castros Ankündigung, dass er sich von mehreren Mitgliedern seiner Regierung trennt. Ihre Nachfolger holte sich Kubas Langzeit-Verteidigungsminister zum Teil aus dem Militär. Weil sich unter den Gefeuerten mit Außenminister Felipe Pérez Roque (44) und Vizepräsident Carlos Lage (57) zwei politische Schwergewichte aus der Ära Fidel Castro befanden, wurde gleich ein Bruderzwist vermutet.

Doch dann meldete sich der 82-jährige Fidel, der seit Juli 2006 schwerkrank ist und deshalb die Macht vor einem Jahr auch formell an den fünf Jahre jüngeren Bruder Raúl abgegeben hat, selbst zu Wort. Der "Honig der Macht" habe in ihnen "Ambitionen geweckt, die sie dazu brachten, eine unwürdige Rolle einzunehmen" , kritisierte Fidel die Abgesetzten. Und: "Der äußere Feind hat sich in Bezug auf sie falsche Hoffnungen gemacht."

Dieser Satz passt kaum zu den Sofortanalysen von Kuba-Beobachtern, die nun erklärten, Funktionäre wie Lage seien wegen der Begünstigung von Familienangehörigen abgesetzt worden. Sowohl Lage als auch Pérez Roque haben sich seit Jahren für Wirtschaftsreformen eingesetzt und waren in Europa und Lateinamerika geschätzte Gesprächspartner. Kubas Führung, die bisher dem gemeinsamen Feind USA gegenüberstand, scheint zu fürchten, auseinanderdividiert zu werden. US- und EU-Politiker könnten versucht sein, die kubanischen Gesprächspartner selbst auswählen zu wollen.

Was einen Schwenk der US-Regierung betrifft, so hält sich der Optimismus in Havanna ohnehin in Grenzen. Die "Blockade" bestehe aus einem komplexen Netzwerk von Bestimmungen (z. B. Toricelli Act, Helms-Burton-Act), weswegen Obama gar nicht die Möglichkeit habe, die Kuba-Sanktionen einfach aufzuheben.
Wirtschaftlich geht es Kuba trotz einiger Lockerungsübungen Raúl Castros (darunter aber keine wirklich einschneidenden Reformen) derzeit sehr schlecht. Drei Hurrikane haben Milliardenschäden verursacht; in der Krise schrumpfen Tourismuseinnahmen und Überweisungen von Verwandten. Der Wert der kubanischen Exporte macht nur noch ein Drittel der Importe aus. Russland gewährte bei einem Moskau-Besuch Raúls nur einen Bruchteil der erhofften Unterstützung, und auch der große Förderer Hugo Chávez muss es wegen rückläufiger Öleinnahmen Venezuelas billiger geben.

In den USA warten Lebensmittelexporteure und Bauwirtschaft schon darauf, mit den elf Millionen Bewohnern Kubas ins Geschäft zu kommen. Sie verweisen auf die gelungene Normalisierung der Beziehungen zu Vietnam. Zuletzt haben auch die Sprecher mancher exilkubanischer Gruppen Interesse an der Annäherung gezeigt. Dennoch klingt es noch irreal, wenn ein Kommentator der Zeitung El País über einen möglichen Besuch von "Raúl Castro im Weißen Haus" spekuliert. (Erhard Stackl/DER STANDARD, Printausgabe, 11.3.2009)