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Der linke Kandidat Mauricio Funes (2. v. li.)  auf einem Plakat der rechten Arena-Partei, die ihm politische Nähe zu den Präsidenten Chávez, Ortega (Nicaragua) und Revolutionsführer Castro unterstellt.

Foto: AP/Abd

Der Westen El Salvadors ist Kaffeeland: sanfte grüne Hügel, die ab und zu einen atemberaubenden Blick auf den tiefblauen Pazifik freigeben. Dazwischen Vulkane und kleine Kolonialstädte. Hier haben die wohlhabenden Hauptstädter ihre Ferienhäuser gebaut. In einem Chalet in Ataco riecht es nach gebrutzeltem Fleisch, auf dem englischen Rasen hinter der von Stacheldraht gekrönten Mauer reihen sich Geländewagen aneinander. Manuel Lorenzana kann das Lachen der fröhlichen Gesellschaft hören. Seine Hütte liegt auf der anderen Seite der Mauer. Ein paar Holzbretter, ein Aluminiumdach, festgetrampelter Lehmboden.

Sein Haus wurde beim Erdbeben 2000 zerstört. "Die Regierung hat uns neue Häuser versprochen, doch nichts ist passiert. Und beim hiesigen Bürgermeister betteln wir seit Jahren um Strom", erzählt Lorenzana, der sich als Tagelöhner auf den Kaffeefincas verdingt und 23 Dollar pro Woche verdient - wenn es gerade Arbeit gibt. Auf der einen Seite ein paar superreiche Familien, die im Windschatten des Staates ihre Geschäfte machen und mit dem Hubschrauber übers Wochenende an den Strand fliegen, auf der anderen Gelegenheitsarbeiter, die nicht wissen, wie sie ihre Familie über die Runden bekommen sollen. Dieser krasse Gegensatz war mit der Diktatur der Auslöser für den Bürgerkrieg in den 1980er-Jahren, in dem 75.000 Menschen starben.

Nach dem Friedensvertrag 1992 wurde der Guerillabewegung Nationale Befreiungsfront Farabundo Marti (FMLN) politische Beteiligung zugestanden. Doch an der Macht blieb die gleiche Elite wie vor dem Krieg mittels der Republikanisch-Nationalistischen Allianz (Arena). Das könnte sich am Sonntag ändern, denn Umfragen sagen einen knappen Sieg des FMLN-Kandidaten Mauricio Funes voraus. Schon bei der Parlamentswahl vor zwei Monaten errang die FMLN die meisten Sitze. "Ich habe bis-her immer für Arena gestimmt, aber wegen ihrer Vetternwirtschaft ging ich fast pleite" , räumt ein mittelständischer Bauunternehmer ein.

Zwölf Morde pro Tag

Korruption, die Verwicklung von Politikern in den Drogenhandel, die hohen Lebenskosten seit der Dollarisierung im Jahr 2001, der Arbeitsplatzmangel, der 2,5 Millionen Salvadorianer hat auswandern lassen, und die hohe Kriminalität mit durchschnittlich zwölf Morden pro Tag schlagen negativ für Arena zu Buche. "Erstmals ist die Hegemonie von Arena ernsthaft bedroht, und erstmals wird sich die Elite bewusst, dass sie nicht ewig an der Macht bleiben kann" , sagt der Herausgeber der Publikation El Faro, Carlos Dada. Während der ehemalige TV-Journalist Funes gemäßigt auftritt und als klarer Analytiker und überzeugender Redner punktet, wirkt der rechte Kandidat Rodrigo Avila - ehemals Polizeichef - eher blass.

"El Salvador wird das Grab sein, wo die Roten verrecken", tönt kriegerisch die Arena-Hymne aus dem Radio. In einem TV-Spot wird Funes auf eine Stufe mit Kubas Revolutionsführer Fidel Castro gestellt. Doch inzwischen ist ein Drittel der Salvadorianer nach dem Krieg geboren. "Die Jugend fängt mit so etwas nicht viel an" , sagt der Soziologe Carlos Briones. An sie appelliert Funes: "Wir müssen endlich eine nationales Projekt für alle erarbeiten und das Land versöhnen" , betont der ernste Mann, der sich in den vergangenen Monaten mit dem brasilianischen Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva und der Chilenin Michelle Bachelet hat ablichten lassen. Beide gelten als Vertreter einer gemäßigten Linken.

Auch Funes gibt sich sozialdemokratisch: Er vertritt eine Steuerreform, die Beibehaltung des Dollar und die Förderung des Mittelstandes. Ein solches Programm stößt sogar auf die Billigung der US-Botschaft. Doch nicht alle stehen einem möglichen Sieg der Linken gelassen gegenüber. "Wenn die an die Macht kommen, artet das in Revanchismus aus, und wir haben bald ein so autoritäres Regime wie in Venezuela", fürchtet der Barbesitzer und Kolumnist Paolo Luers. (Sandra Weiss aus Ataco/DER STANDARD, Printausgabe, 11.3.2009)