Ein-Euro-Gast, sagt Philipp Patzel, habe er noch nicht gehabt. "Denn die meisten Leute sind fair, wenn sie auch fair behandelt werden." Deshalb, so der Geschäftsführer des Wiener Haubenlokals "Hollmann Salon" sei er zufrieden: "Im Durchschnitt zahlen die Leute so viel wie früher. Und wenn einmal einer nur fünf Euro hinlegt, gibt es auch jemanden, der 28 zahlt." Und so, freut sich Patzel, stimme die Rechnung: Das Haubenlokal im Heiligenkreuzer Hof "verkauft" sein Mittagsmenü unter dem Prinzip "Pay as you wish" - und alle sind zufrieden.
Die Idee zu diesem Projekt kam mit dem allgegenwärtigen Reden über die Krise: "Weil alle Leute sagen, dass sie kein Geld mehr haben, beschlossen wir, sie selbst entscheiden zu lassen, wie viel sie davon ausgeben" , sagt Patzel. Denn das, so der unausgesprochene Nachsatz, ist besser, als ein Gast, der aus Angst vor dem Geldausgeben gar nicht mehr kommt.
Doch seit beim Mittagsmenü das Motto "Zahl, was es dir wert ist" gilt, habe man die gleichen Erfahrungen gemacht, wie Wirte in London oder Frankreich, die der Angst vor der Krise ebenfalls mit dieser Methode Paroli bieten wollen. Patzel: "Die Gäste sind zufrieden. Und es spricht sich herum: Das Motto gilt jetzt seit zwei Wochen - und allein die Mundpropaganda hat uns einen Gästezuwachs um mehr als zehn Prozent beschert."
"Interessantes, psychologisches Spiel"
Davor, von Knausern und Schnorrern überrannt zu werden, hat der Wirt keine Angst: "Es ist ein interessantes psychologisches Spiel: Jeder schaut, was die anderen zahlen. Und die Leute haben ein ganz gutes Gefühl dafür, was fair ist."
Außerdem hilft die Speisekarte: Die À-la-carte-Gerichte werden zu regulären Preisen angeboten. Und wenn auf der Rechnung Getränke mit üblichen Summen ausgewiesen sind, beim Menü aber "Null" steht, schreibe doch fast jeder Gast eine Summe hin, die "im realistischen Bereich" liegt. Auch beim Trinkgeld, sagt Patzel, sei kein Rückgang zu bemerken.
Freilich: Sobald sich die Krise vom Kopf tatsächlich in die Geldbörse verlagert und sich spürbar auf die Zahlungsmoral der Gäste niederschlägt, "werden wir uns etwas überlegen müssen. Aber wir wollen auf alle Fälle versuchen, dieses Projekt bis zum Sommer durchzuziehen. Wenn es geht, gerne auch noch länger."(Thomas Rottenberg, DER STANDARD; Printausgabe, 11.3.2008)