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Eine erste Bilanz der bisherigen Amtszeit von US-Präsident Barack Obama ...

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... daran versuchten sich beim Montagsgespräch die Grünen-Politikerin Ulrike Lunacek, Wifo-Experte Stephan Schulmeister, Politikwissenschafter Peter Filzmaier und der Präsident der Industriellenvereinigung Veit Sorger (von links), moderiert von Standard-Kolumnist Gerfried Sperl. Im Vordergrund stand die Wirtschaftskrise - eine Grundsatzdiskussion über die Grenzen der Verschuldung und die Pflichten des Staates in einer ökonomischen Notsituation.

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Stephan Schulmeister wünscht sich einen Befehl. Von der EU-Kommission. Den Befehl zum Schuldenmachen. "Das wäre eine vernünftige Strategie", meint der Wifo-Experte. Und da die wirtschaftliche Lage in der Union schon dramatisch ist und noch dramatischer werden wird, nennt Schulmeister beim Montagsgespräch des STANDARD auch ganz konkrete Vorstellungen: Zunächst einmal weg mit dem Maastricht-Kriterium von maximal drei Prozent Neuverschuldung - dafür hinauf auf sechs Prozent. Was auch ausgeschöpft werden müsste. Wie befohlen eben.

Schulden machen, um die Konjunktur anzukurbeln und die ersten Opfer der Wirtschaftskrise zu stützen - so macht es Präsident Barack Obama in den Vereinigten Staaten vor. Deshalb fällt Schulmeisters Antwort auf das Thema der Diskussion "Obama - eine erste Bilanz" auch überwiegend positiv aus. Und deshalb findet er seinen Gegner im verbalen Schlagabtausch an diesem Abend in Veit Sorger, dem Präsidenten der Industriellenvereinigung (IV).

"Meine Zurückhaltung endet immer dort, wo ein anderer die Zeche zu zahlen hat", sagt Sorger und meint in diesem Fall die nachfolgende Generation. Bankenpaket, Konjunkturprogramm, insgesamt in Billionenhöhe - das sind nur die neuen Schulden. Hinzu kommen die ohnehin schon vorhandenen. Dann spricht Obama auch noch von einer Halbierung des Staatsdefizits in vier Jahren. "Wer soll denn das bezahlen?" , fragt Sorger in die Runde.

Risiko - aber wie hoch?

"Hochriskant", findet der IV-Präsident den Kurs des US-Präsidenten, eben wegen der Belastung, die er für die Jugend schafft - "umso mehr, weil es Obama nicht gelungen ist, die Republikaner dafür zu gewinnen" . Und außerdem: zu viel Staatseingriff - "dem kann ich nichts abgewinnen".

Risiko ja, räumt Schulmeister ein, "aber die Risiken dieser Politik sind unvergleichlich kleiner als die jeder Alternative". Wenn Menschen ihren Job verlieren, geben sie weniger Geld aus, argumentiert der Wissenschafter. Dann geht es den Unternehmen schlecht, sie entlassen Leute, die wiederum weniger Geld ausgeben. Ein Teufelskreis, der noch tiefer in die Krise führt. "Die Europäer begreifen den Ernst der Lage noch nicht." Obama dagegen schon, meint der Experte. Und die Chinesen. "Nicht umsonst setzt auch China jetzt auf ein größeres Budgetdefizit." Überhaupt: "Ohne Schuldenmachen sitzen wir auf den Bäumen." Schließlich gehöre das zu jeder kapitalistischen Marktwirtschaft. Wenn es die Wirtschaft nicht leiste, müsse es eben der Staat tun.

Wo denn IV-Chef Sorger eine Alternative sehe?, fragt Ulrike Lunacek, außenpolitische Sprecherin der Grünen und in Sachen Defizit ganz auf der Seite Schulmeisters. "Vielleicht sollte man die Projekte Schritt für Schritt angehen", meint Sorger. Nicht alles auf einmal. Immerhin, sagt er doch, ohne Verschuldung gehe es nicht. Es kommt auf die Größenordnung an - und beim Thema EU auf eine "kontrollierte Überschreitung" der Maastricht-Grenze. Nicht sechs Prozent.

Der Politikwissenschafter Peter Filzmaier, der sich lieber an Umfragewerte hält als an wirtschaftstheoretische Grundsatzfragen, wirft noch das Wort "Akzeptanz" in die Diskussion - für ihn ein "Schlüsselbegriff" und wichtiges Kriterium. Schafft es Obama zu kommunizieren, dass sein Programm das Beste ist? "Nur dann kann es funktionieren." Schließlich sind die Amerikaner von Natur aus misstrauisch, wenn es um Staatseingriffe in die Wirtschaft geht. Deshalb glaubt Filzmaier auch, dass "das, was Obama jetzt macht, nur in dieser Krisensituation mehrheitsfähig ist". In den Umfragen liegt er derzeit bei 60 Prozent Zustimmung.

Genau im Kommunikationstalent ortet Ulrike Lunacek die Stärke des US-Präsidenten - und kann sich einen Seitenhieb auf heimische Politikerkollegen nicht verkneifen. Obama habe es geschafft, "die Menschen zu überzeugen, dass sie etwas tun können - und dass er den Willen hat, Politik zu gestalten". Anders in Österreich. Dabei, meint die Grüne, "wäre das auch bei uns sehr wichtig".

Multilateralismus à la carte

Welche US-Politik es dann Europa gegenüber werden wird - das ist für Filzmaier allerdings noch nicht ausgemacht. Trotz der vielen Signale aus Washington, wieder mehr auf Zusammenarbeit zu setzen. George W. Bush Unilaterialist, Barack Obama Multilateralist, so einfach sei die Rechnung nicht, meint Filzmaier. "Da gibt es noch den Multilateralismus à la carte - auch das könnte der Obama-Weg sein." Kooperation, wenn es notwendig ist. Aber auch die Demonstration militärischer Überlegenheit oder Wirtschaftsprotektionismus, wenn es dem eigenen Land nützt. 

Guantánamo? Raketenschild? Afghanistan? Irakkrieg? Randthemen angesichts der Wirtschaftskrise, zumindest an diesem Abend im Haus der Musik. Ganz nach Bill Clintons Motto aus dem Jahre 1992: It's the economy, stupid. (Julia Raabe, DER STANDARD, Printausgabe, 11.3.2009)