Eine Vergleichsstudie zeigt, dass Österreichs Lehrer mehr Rechte gegen Schulgewalt wollen - Massive Polizeipräsenz wird aber nicht gefordert - Anders in Jamaika und den USA, wo an den Schulen sogar vergewaltigt wird - Von Michael Möseneder

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Am 15. September 2005 starb Kevin - in seiner Schule in Wien, wo ihm ein 15-jähriger Mitschüler zweimal ein Messer in den Bauch gerammt hatte. Aus einem nichtigen Anlass, wie der Richter später in der Gerichtsverhandlung feststellen wird, bei der der Täter zu sieben Jahren Haft verurteilt wird. Der tödliche Streit war die furchtbarste Folge von Gewalt an der Schule in den vergangenen Jahren. Wie ausgeprägt die Gewalt aber ist, ist schwerer zu beurteilen, wie eine internationale Vergleichsstudie zeigt, die kommende Woche in Boston präsentiert werden soll.

Eltern und Lehrer-Befragung

Der heimische Beitrag stammt vom früheren Chef der Wiener Kriminalpolizei, Maximilian Edelbacher und Gilbert Norden vom Soziologie-Institut der Universität Wien. Eltern und Lehrer wurden an mehreren Wiener Schultypen (die Erlaubnis für eine Befragung an einer Berufsschule wurde verweigert) um ihre Erlebnisse und Einschätzungen zum Thema Gewalt gefragt. Zusätzlich wurden offizielle Statistiken ausgewertet und andere Untersuchungen miteinbezogen.

Weniger Schüler - Mehr Anzeigen

Das Resultat ist differenziert. Lehrer sind subjektiv in überwiegender Mehrheit der Meinung, Schüler würden immer aggressiver miteinander umgehen. Eine Einschätzung, die sich mit den Anzeigen bei der Polizei deckt. Gab es im Jahr 2004, als 1,21 Millionen Schüler in den Klassen saßen, noch 280 Anzeigen, lag dieser Wert im Jahr 2007 bei 496 Delikten - obwohl es 50.000 Schüler weniger gab. Die häufigsten Anzeigegründe: Körperverletzung vor der gefährlichen Drohung.

Weniger Schulunfälle durch Raufereien

Allerdings: In den Zahlen der Unfallversicherungsanstalt, bei der Schulunfälle durch Raufereien registriert werden, ist kein Anstieg zu erkennen. Im Gegenteil, dieser Wert sank von über 2500 Fällen im Jahr 2005 auf knapp 2200 im Jahr 2007.

Gewaltprävention: Mehr Rechte für Lehrer

Bei der Frage nach den besten Möglichkeiten zur Gewaltprävention sind sich Lehrer und Eltern aber recht einig: kleinere Klassen, mehr Unterrichtszeit für soziales Lernen und mehr Rechte für Lehrer (Taschendurchsuchung auf Verdacht, leichtere Suspendierung) führen die Rangliste an. Interessant daran: Aus Schülerbefragungsstudien weiß man, dass die Klassengröße von Jugendlichen selbst kaum als Faktor für die Gewaltentstehung angesehen wird.

USA: Kameraüberwachung

Die Lehrerwünsche unterschieden sich aber deutlich von denen ihrer Kollegen in den USA und Jamaika, den anderen teilnehmenden Ländern. Dort setzt man auf ganz andere Mittel. In den USA etwa auf Kameraüberwachung, Datenaustausch mit der Polizei und Metalldetektoren am Schuleingang. Mancherorts werden die Eingangstore während des Unterrichts gar versperrt.

Wie in den USA sind auch in Jamaika "School Resource Officers" , Polizisten, die direkt in den Schulen stationiert sind, gerne eingesetzte Mittel. Hintergrund ist dort aber auch eine völlig andere Kriminalitätslage als in Österreich. Denn auf der Karibikinsel führt die Körperverletzung zwar ebenso die Rangliste der Schulkriminalität an; auf den Plätzen folgen hier allerdings Erpressung und Vergewaltigung. (Michael Möseneder, DER STANDARD; Printausgabe, 11.3.2009)