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Paul Lendvai.

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Grafik: APA

Wien - Dienstag nominierten SPÖ und ÖVP ihre neuen Stiftungsrate. Nicht mehr dabei ist, wie berichtet, Paul Lendvai, langjähriger ORF-Moderator und pensionierter Intendant. Bisher saß Lendvai als neutraler Vertreter im Gremium. Zurückhaltung gibt er in einem E-Mail an den STANDARD auf: "In der Diskussion über den ORF findet sich ein unerträgliches Ausmaß an Heuchelei", habe er als Stiftungsrat 2007 gesagt. Er könne dies heute wiederholen. Als ORF-Chefredakteur und Intendant sei er "den Heuchlern in diversen politischen Interessengruppen im In- und Ausland ,zu wenig neutral‘".

Schon Mitte Februar hat ÖVP-Klubchef und -mediensprecher Karlheinz Kopf im Standard-Interview klargemacht, dass die Koalition mit dem neuen ORF-Gesetz nicht die Ergebnisse des EU-Wettbewerbsverfahrens abwarten will. Der Brüsseler Befund hätte einen eleganten Anlass für eine Novelle geliefert, die quasi nebenbei Stiftungsrat und Geschäftsführung verkleinert und so zur vorzeitigen Wahl eines neuen ORF-Managements führt, das 2010 sein Amt antreten soll. Die Koalition wartet nicht auf diesen Anlass.
Dienstag klang bei Kopf das Konzept durch, damit ein Journalist ohne Erfahrung im Management den ORF führen kann: Der verkleinerte Aufsichtsrat soll den General künftig „begleiten", wenn er ihn gewählt hat.

Der Dienstag bestellte gemeinsame Regierungsstiftungsrat wird schon als Prototyp gehandelt: Alexander Hartig aus dem Turnauer-Imperium, derzeit Vorstand der Constantia Industries, gilt als Signal für Wirtschaftskompetenz, diesfalls mit bürgerlich-aristokratischem Hintergrund. Als rote Pendants für die künftige Besetzung kursieren prototypisch Hannes Androsch (AT&S, bwin, Bawag) und Günther Geyer, Vorstandschef der Wiener Städtischen/Vienna Insurance Group.

Diskussion um Betriebsräte

Kopf bestätigt die Linie von Medienstaatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ): Den nächsten ORF-General sollen die Betriebsräte nicht mehr mitwählen. Im Stiftungsrat und früher Kuratorium des ORF hatten Belegschaftsvertreter oft auch zu ihrem persönlichen Vorteil auch bei Generalswahlen oft entscheidende fünf von 35 Stimmen. Auf das Aktienrecht verweist Zentralbetriebsrat Gerhard Moser, wonach der Betriebsrat eine Drittelparität im Gremium stellt und bei der Wahl des Generaldirektors ein Mitentscheidungsrecht hat, wenn es keine Einigung der anderen Aufsichtsratsmitglieder gibt.

Ein Grundrecht, das den ORF vor "kurzfristig motivierten Veränderungen" bei politischem Machtwechsel schützt, wünscht sich ein Komitee um Publizistikwissenschafter Fritz Hausjell (--->Bericht). Unterzeichnet hat auch der ehemalige ÖVP-Klubobmann Heinrich Neisser. Die Koalition sei dabei, den ORF „wieder voll einzunehmen." (prie, red/DER STANDARD; Printausgabe, 11.3.2009)

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Mail von Paul Lendvai an den STANDARD:

"Ich gehöre keiner Partei oder einer parteinahen Organisation an. Im Frühjahr 2000 bat mich Bundeskanzler Dr Schüssel, als "Signal der Öffnung" die Mitgliedschaft im Stiftungsrat an. Ich habe das Angebot damals nicht angenommen. Anfang 2007 baten mich Klubobmann Cap bzw. Bundeskanzler Gusenbauer und Vizekanzler Molterer als der von der Regierung bestimmte unabhängige Stiftungsrat zu wirken.

Ich gehörte also keinem "Freundeskreis" an. In kann heute meine allererste Wortmeldung (Feber 2007)wiederholen: "In der Diskussion über den ORF findet sich ein unerträgliches Ausmaß an Heuchelei.. Es ist oft so, wie es der abgesägte "Spiegel" Chefredakteur Aust sagte: "Leute, die zu allem eine Meinung, aber von nichts eine Ahnung haben, melden sich hier zu Wort" . Ferner: "Ich habe diese Bestellung durch beide Regierungsparteien angenommen,um die Interessen der ORF Angestellten, der Zuschauer und auch des Landes vertreten zu können. Man muss die nationale Problematik sehen ; man könne nicht zulassen , dass aus welchem Grund immer der ORF in der Öffentlichkeit diskreditiert und de facto vernichtet werden. soll" Ich hatte im Interesse des ORF damals für die Gebührenerhöhung gestimmt und wurde deshalb von "Freunden" kritisiert Ich habe damals im Stiftungsrat laut Protokoll gesagt: als Neuösterreicher halte ich mich an Nestroy, der gesagt hat, "ich bin so unabhängig, dass ich mich aufhängen müsste , um in eine abhängige Lage zu kommen ..."

Ich habe öfter die Dinge kritisiert, zugleich aber auch gesagt, "einige wollten den ORF in Wirklichkeit vernichten und gleichzeitig Generaldirektir werden... Es geht um eine für Österreich lebenswichtige Institution und auch um die Menschen die hier arbeiten und oft ununterbrochen verteufelt würden, das gelte für alle MitarbeiterInnen in diesem Haus, ob rechts oder links".

Unter anderen habe ich in einer langen kritischen Wortmeldung gegen das vom GI befürwortete und von der Mehrheit bewilligte ORf Engagement in Bulgarien Stellung genommen. Ich habe immer wieder betont , die ORF Journalisten müssen das Gefühl haben, dass sie im Rahmen des Gesetzes völlig frei, ohne Rücksicht aus Parteien und Gruppen berichten können. Es ist sehr wichtig, dass die journalistische Freiheit bewahrt werde.

Zu diesen Zitaten aus den Sitzungsprotokollen möchte ich hinfügen: ich habe stets für die Interessen des ORF so wie sie sehe, und nicht "mit der ORF Führung" gestimmt. Auch als Financial Times Korrespondent, auch als ORF Chefredakteur und Intendant, und auch als Standard-Kolumnist war und bin ich den Heuchlern in diversen politischen Interessengruppen im In- und Ausland "zu wenig neutral".