Nach Wochen des Tauziehens hinter den Kulissen fielen endlich die Würfel: Botschafter Valentin Inzko, der aus einer alten slowenisch-kärntnerischen Familie stammende Balkanexperte des Außenministeriums, wird demnächst als Hoher Repräsentant für Bosnien-Herzegowina von den Garantiemächten des Friedensvertrags von Dayton, also als De-facto-Generalgouverneur, bestellt. Damit übernimmt nach Wolfgang Petritsch nun zum zweiten Mal ein österreichischer Diplomat (und Kärntner Slowene) im Auftrag der internationalen Staatengemeinschaft einen der wichtigsten und gefährlichsten Posten in der Balkan-Politik.

Der unglaublich komplexe provisorische Staat, bestehend aus der bosniakisch-kroatischen Föderation mit etwa 2,4 Millionen Einwohnern und der Serbischen Republik mit 1,5 Millionen, ferner aus einer gesamtstaatlich verwalteten Zone um Brèko mit einer Bevölkerung von 80.000, gleicht seit eh und je einem Pulverfass. Nicht nur die tiefverwurzelten Gegensätze zwischen den drei Volksgruppen, sondern auch die Entsendung von unter anderem britischen und deutschen Balkan-Anfängern ohne Sprachkenntnisse nach Sarajewo haben den Aufbau eines funktionierenden Staatsapparates praktisch unmöglich gemacht.

Es gibt heute wohl keinen anderen Kandidaten, der für dieses "Himmelfahrtskommando" besser geeignet wäre als der 1949 in Klagenfurt geborene Inzko. Nach "Gastspielen" als UN-Beamter (1974-1980) in der Mongolei bzw. Sri Lanka beschäftigte sich der sprachbegabte Diplomat seit seinem Eintritt 1981 in das Außenministerium in erster Linie mit Fragen der Mittel-, Ost- und Südosteuropapolitik. Wie viele andere Ostkorrespondenten habe auch ich Inzko vor mehr als 25 Jahren als ausgezeichnet informierten und stets hilfsbereiten Presse- und Kulturattaché in Belgrad kennengelernt. Nach dem erfolgreichen Aufbau des Kulturinstituts in Prag war er als erster österreichischer Botschafter in Sarajewo (1996-1999) einer der angesehendsten Missionschefs in Bosnien. Anschließend leitete er kontaktfreudig und engagiert die ost- und südosteuropäische Abteilung am Ballhausplatz. Dass der mit einer in Argentinien geborenen Mezzosopranistin slowenischer Herkunft, Bernarda Fink, verheiratete Diplomat vor vier Jahren zum Botschafter in Slowenien ernannt wurde, war Symbol jenes "innerlich großräumigen, sehr selbstkritischen, freimütigen, weltoffenen, europaoffenen Österreich-Bewusstseins" , von dem Friedrich Heer, der große Humanist, träumte.

Valentin Inzkos Bestellung als "Generalgouverneur" ist mehr als ein Erfolg für die österreichische Diplomatie. Die internationale Anerkennung dieses zutiefst kosmopolitischen und weltoffenen Kärntner Slowenen ist auch eine moralische Ohrfeige für jene, die nicht bereit sind, gegen die Mauer aus Ignoranz und Vorurteilen in den Köpfen in seiner engeren Heimat anzukämpfen. Valentin Inzko, dieser stets bescheiden auftretende Diplomat, wird nun seinen Fähigkeiten entsprechend eingesetzt. Grund zur Freude nicht nur am Ballhausplatz, sondern auch bei allen Beobachtern, die sich durch seine Bestellung national und international mehr Verständnis für die verschlungenen Wege der Balkan-Politik erhoffen. (Paul Lendvai/DER STANDARD, Printausgabe, 12.3.2009)